Konterrevolutionär, Faschistoid, BZ-Schreibe

Am vergangenen Sonntag dreute "883" ein Schicksal, wie weiland der "konkret". Seither leben wir unter der Befürchtung, daß man uns in die Betten pinkelt. Die Gefahr kommt aus Kreuzberg, wo Genossen der dortigen Basisgruppen ein go-in in erwo(ä)gen. Ihr Zorn hatte sich an der Darstellung von Aktionen gegen die Polizei durch den "Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen" auf der letzen Seite der Nr. 21 von "883" entzündet. Am Sonntag auf der wöchentlichen Redaktionssitzung im Republikanischen Club fielen sie über uns her:

Der Bericht seit konterrevolutionär
faschistoid bis faschistisch
könnte direkt aus der BZ-Redaktion stammen
politisch völlig unmotiviert und nicht vermittelt
kein Wort von Unterdrückung
Aufstellung eines neuen obskuren Klassenbewußtseins (Haschraucher aller Länder vereinigt euch!)
die Verknüpfung der Steinwürfe gegen Bullenwagen vor dem "obdach" mit den Molotow-Cocktails an der Lietzenburger-Str. sei unverschämt und nur billiger Vorwand, einen Reklameartikel für Haschischkonsum und Haschhandel zu schreiben

Kapitalistische Kleinausbeuter versuchten auf diese üble Weise, ihren Umsatz zu vermehren

alles nur Wasser auf die Mühlen der Springer Presse in der Art: Es stimmt, daß die Linken alle Hasch rauchen, sinnlos militant sind usw.

Schaden des Artikels sei unübersehbar verheerend
mache die ganze Basisarbeit zunichte
und schließlich:
da eine solche Scheiße in "883" abgedruckt wird, gelten die gleichen Vorwürfe der Zeitung, die mit dem Abdruck gleichsam den Inhalt auch propagiere. Man verlange eine Erklärung!

Wir haben das versucht. Wir haben darauf hingewiesen, daß wir die halbe Seite besser als einen ausserredaktionellen Beitrag der Haschrebellen hätten kennzeichnen müssen.

Aber: Wir betrachten den Bericht als den Teil einer Selbstdarstellung einer großen Gruppe junger Leute, die sich selbst als Linke verstehen. Der Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen als selbsternannter Repräsentant vieler Hascher versucht unsere Meinunrg nach klarzumachen:

Wir rauchen Hasch, weil es uns Spaß macht. Wir werden von der Polizei verfolgt. Die Molotowe in der Lietzenburger Str. werden uns angelastet. Die Antwort der Polizei war Terror, Razzia, illegale Praxis mit polizeilichem Erkennungsdienst, laufende Kontrollen. Unsere Antwort - wir schlagen zurück. Wir bekämpfen die Polizei und den Staat weiter. Wir schaffen uns befreite Gebiete.

Das alles ist garniert mit Verbalradikalismen, die Assoziationen schaffen zur black power-Bewegung, den Zengakuren in Japan oder dem chinesischen Befreiungskrieg.

Das Kollektiv "883" sah sich ausserstande hier mit der Sonde der reinen Lehre des wahrhaften Sozialismus zu messen und den Bericht abzulehnen.

Wer soll denn die Position der vielen Hasch-Konsumenten besser schildern als sie selbst?

Warum sollen wir eine derartige Darstellung durch Kommentare oder Distanzierungen verwässern oder kastrieren in ihrer unmittelbaren Wirkung?

Wie kann die längst fällige Diskussion über das Problem besser begonnen werden als durch die genaue und authentische Klarstellung von Meinung und Adressat?

und an die Basisgruppe Kreuzberg: Wo bleibt Eure Auseinandersetzung mit den "Rebellen" direkt?
Wo ist die Einsicht, daß das ihnen vorgeworfene mangelnde politische Bewußtsein auch eine Folge nicht geleisteter Basisarbeit ist?

Wo sind die Beiträge von Euch in "883" (oder anderswo), die Euren Standpunkt präzisieren?

Wieweit seid Ihr selbstkritisch gegenüber elitären und majorisierenden Tendenzen?

Die Art der Diskussion in der letzten Redaktionssitzung von "883" durch die Basisgruppe Kreuzberg war nahezu erschreckend. Geschrei, Wortabschneiden, dauerndes Unterbrechen, mangelnde Sachlichkeit, Aggressivität, Unduldsamkeit.

Das Ende war ein lautstarker Auszug aus der Sitzung und die Verkündung des Boykotts. "883" wird in der "schwarzen Rose" (das Kneipenkollektiv ist teilweise identisch mit der BG Kreuzberg) nicht mehr verkauft.

Ein schönes Beispiel konstruktiver Kritik!