Antwort auf den ...

 

ANTWORT AUF DEN RAUSCHGIFT-REISSER-ARTIKEL IM "ABEND" vom 18.8.69

Berliner Rauschgiftexperte Kleiner warnt die Bourgoisie: Jugendliche aus sozial gehobenen Kreisen sind insbesondere von der neuen Mode des Rauschgiftmißbrauchs befallen.

Folgen seien: schwere Vernachlässigung von Pflichten und Aufgaben in der Schule, Beruf und Körperpflege, psychosoziale Desintegration mit charakterlichem und sozialem Niveauverlust, psychischer Nivellierung und Leistungsabfall, gegebenenfalls soziale und familäre Entwurzelung, Möglichkeit einer Hasch-Demenz (Verblödung). Äußere Anzeichen seien: eine Art Trunkenheit ohne Alkohol, gerötete Augen, trockener Mund, stärkerer Durst, Verlust von Gewicht und Appetit, Magenbeschwerden und gegebenenfalls Erbrechen, sowie auffallend enge Pupillen bei besonders gefährlichen Drogen.

Kleiner sieht die Ursache des "Rauschgiftmißbrauchs" in soziologischen und gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit, was an der Kritik einer aufbegehrenden Jugend deutlich werde. Das sei auch verantwortlich an der Vorverlegung der Altersgrenze (12-13 Jahre) für Rauschgiftgenuß.

Warum macht sich Kleiner besonders viele Sorgen gerade um die Bürgerkinder? Laut Kleiner verbleiben die jungen Menschen aus einfacheren Schichten bei ihrer alten Rauschgifttradition: dem Bier. Die Erfahrungen des Zentralrats liegen dann auch anders. Der Anteil von Lehrlingen, jungen Arbeitern und (nicht mehr arbeitenden) "Gammlern" am Drogenkonsum ist prozentual mindestens ebenso hoch, wie der von Oberschülern, Studenten und anderen Bürgerjugendlichen.

Kleiners Ideologie ist: wer seine Familie und Klasse verläßt, verhält sich asozial. Er sieht die größten Gefahren des "Rauschgiftmißbrauchs" in der psychosozialen Desintegration sowie einer sozialen und familiären Entwurzelung, - Eben in den hauptstützen der bürgerlichen Psyche und Moral. Hinter dem "Fachausdruck" psychosoziale Desintegration verbirgt sich das wichtigste Klasseninteresse: Verletzung der Homogenität der Klasse der Bourgoisie: der vom Rauschgift Beeinflußte hört auf, sich als Mitglied seiner spezifischen, d.h. bürgerlichen Klasse zu fühlen. Dasselbe müßte auch für andere Klassen, zum Beispiel die Arbeiterklasse gelten. Ein Bürger sinkt ab zum "Lumpenbourgois", ein Arbeiter zum "Lumpenprolet". Wenn Kleiner erkennt, daß die Ursachen des Drogen-Konsums sozialer Natur sind, warum kämpft er dann nicht gegen die sozialen Mißstände, warum beteiligt er sich nicht an der Revolutionierung der Gesellschaft? Unterstellte man ihm wirklich ehrenhafte Motive für sein Handeln, so gliche er einem Arzt, der anstatt die Krankheit zu heilen, das Fieberthermometer zerbricht. Wie man es auch ansieht, er liegt auf der falschen Welle.

Entgegen Kleiners Interesse, die Bourgoisie vor Zerfall und Dekadenz zu bewahren, meinen wir diese Tendenz verstärken zu müssen. Denn je dekadenter die Mitglieder und Verteidiger des herrschenden Systems sind, desto leichter lassen sie sich im revolutionären Prozeß von uns zerschlagen. Der Opiumkrieg hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Er steht nicht mehr in den Diensten des Kapitalismus. Jetzt hat das Gift die Bourgoisie selbst befallen.

Die Einkünfte aus dem Rauschgiftkleinhandel fließen selbstverständlich zum großen Teil in die geheimen APO-Kassen. Wir dingen uns doch aus, daß diese Gelder zweckdienlichen Aufgaben zugeführt werden:

 

Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen

 

Quelle: Der Blues