Was hat der Aufbruch von 68 mit den heutigen Studierenden, insbesondere mit den StudentInnen an der Humboldt-Universität im Oste

Die Studierenden waren ein bedeutender Teil des 68er Aufbruchs in Westeuropa. Auch in Osteuropa lehnten sich Menschen gegen die herrschende Obrigkeit auf (Niederschlagung des Prager Fruehlings 1968, Ungarn-Aufstand bereits 1956, 17. Juni 1953 in der DDR). Der 68er Aufbruch stand in einem internationalen Kontext von Vietnam-Krieg, Befreiungsbewegungen im Trikont (Anfang der 60er erlangten viele Staaten in Afrika die Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft, kubanische Revolution 1959, u.a.), Aufstand der Schwarzen in den USA, die Stadtguerillabewegung MLN-Tupamaros in Uruguay, usw. Zu nordamerikanischen Studierenden, die 1964 Kuba besuchten, sagte Che Guevara: "Ich beneide Euch. Ihr Nordamerikaner koennt sehr gluecklich sein. Ihr kämpft den wichtigsten Kampf von allen - Ihr lebt im Herzen der Bestie".

Die Proteste in Deutschland richteten sich gegen "den Muff von 1000 Jahren unter den Talaren", gegen die Notstandsgesetze, gegen die kollektive Verdrängung der Naziverbrechen, gegen atomare Aufruestung. Sie stellten auch eine sexuelle Befreiung dar (noch bis Ende der 60er bestand z.B. ein sogenanntes Kuppeleiverbot). Befreit wurden vor allem die Männer - die Frauenbewegung folgte Anfang der 70er; symptomatisch war hier die Tomate, die Sigrid Damm-Rueger beim Kongress des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) aus Protest auf Hans-Juergen Krahl warf. Begleitet wurde die Auflehnung gegen die Autoritäten von einem breiten kulturellen Bruch, z.B. mit der Musik von Beatles und Stones und der anderen Kleider- und Haartracht.

Es handelte sich um eine repressive Ordnung in Deutschland, und eine erste Wirtschaftskrise zeichnete sich 1966 ab. Nach dem Ruecktritt Erhards bildete Kiesinger Ende 1966 die Grosse Koalition aus CDU/CSU und SPD, Willy Brandt wurde Vizekanzler und Aussenminister. Die Frontstadt Berlin wurde von der SPD regiert.

Eine wichtige Funktion bei den Protesten hatten die teach-ins und grossen Vollversammlungen, bei denen die Menschen gemeinsam lernen, sich informieren, diskutieren und das Argumentieren lernen konnten. Diese ermoeglichten eine Politisierung der Beteiligten. An den Universitäten wurden alternative gesellschaftliche Konzepte debattiert.

Heute muessen die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit analysiert werden und es muss gefragt werden, wie es zu den Entwicklungen wie etwa der staatlichen Integration grosser Teile der Bewegung bis zur Gegenwart kam, und zwar auch an der Universität (an der Humboldt-Uni findet in diesem Sommersemester ein autonomes Seminar mit dem Titel "Aspekte der 68er" statt). Aktive Studierende und linke Hochschulgruppen muessten sich gemeinsam mit anderen Gruppierungen an einem Diskussionsprozess zu den Erfahrungen der 68er beteiligen. Sie muessten sich dafuer einsetzen, Freiräume in- und ausserhalb der Uni (wie z.B. das SBZ Krähenfuss oder besetzte Häuser) zu verteidigen, die diesen Austausch und diese Erkenntnisprozesse ermoeglichen. Sie muessten vor allem auch die kritische Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Gesellschaft an der Universität selbst einfordern, und sich dagegen wehren, dass die Universität zur reinen Ausbildungsstätte nach den Massstäben der Marktwirtschaft umfunktioniert wird, in der die Erarbeitung alternativer Gesellschaftskonzepte nicht mehr stattfinden kann.