"High sein, frei sein, Terror darf dabei sein!"
Von den Haschrebellen zur Bewegung 2. Juni
Dazu kam der Druck von denen ...
a taste of revolution: 1968
"Die materiellen Voraussetzungen für die Machbarkeit unserer Geschichte sind gegeben. Die Entwicklungen der Produktivkräfte haben einen Prozesspunkt erreicht, wo die Abschaffung von Hunger, Krieg und Herrschaft materiell möglich geworden ist. Alles hängt vom bewussten Willen der Menschen ab, ihre schon immer von ihnen gemachte Geschichte endlich bewusst zu machen, sie zu kontrollieren, sie zu unterwerfen ..."
Rudi Dutschke im Juni 1967
Überall hast du Bullen gehabt. Die Studenten haben eins auf den Kopf gekriegt, weil sie demonstrierten und dann noch gegen die USA, die doch als Hort der Demokratie galten. Das hat dann jeder begriffen. Auf einmal haut dir der Hort der Demokratie auf den Schädel und bringt andere Völker um. Und so sind wir auf die Strasse gegangen, sahen auch ein wenig anders aus.
Wir hatten irgendwie auch einen Bezug zu den Schwarzen in den USA. 1965 brannten dort ja ganze Stadtviertel (Watts u.a.). Da haben die Leute begriffen, was Rassismus ist, als sie selbst was auf den Kopf bekamen.
Vom Gefühl her begriffen: Du kriegst was auf den Kopf, weil du anders aussiehst. Vollkommen egal, was du machst. Ob du arbeiten gehst oder nicht. Die hauen dir deshalb auf den Schädel, weil du ihnen nicht gefällst: Du bist halt kein deutscher Soldat. Deshalb kriege ich heute immer 'nen Horror, wenn ich diese Kurzhaarigen sehe. Ich habe diese Haarschnitte so oft gesehen, das drückt so viel aus, ... so ein Soldatentum.
In dieser Zeit kamen die Bullen häufiger wegen Shit vorbei. Wir fingen auch an, die ersten Dinger durchzuziehen, das kam ja so langsam auf. Aber das war alles noch harmlos. Da gab es die drei Bullen vom Rauschgiftdezernat. die kannte jeder.
Das Lebensgefühl, verfolgt zu werden! Die Rocker hatten ja auch ewig Ärger mit den Bullen. Bei Strassensperren wurden ihnen die Mopeds abgenommen. Sie sind ständig von allen möglichen Leuten angemacht worden.
Der Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen Smoke-In, Razzien und Strassenschlachten
Eine Zwischenfrage. Stichwort umherschweifende Haschrebellen. Was war damit eigentlich? Das ging doch einen Schritt weiter, als lediglich Drogen zu nehmen.
Ja, das ging einen Schritt weiter. Die Bullenkontrollen wurden irgendwann immer massiver. Das BKA hatte Verstärkung gekriegt und auch in Berlin haben sie dann mit Methoden gearbeitet, die wir vorher nicht kannten. Sie haben Leute richtig angemacht, 50 kilo Haschisch ranzuschaffen, um sie dann hochzunehmen. Natürlich haben wir damals alle ein bisschen gedealt, Shit an die Amis, die Soldaten verkauft. Die haben halt die besten Preise bezahlt.
Sehr viele sind nicht mehr arbeiten gegangen und wir brauchten halt ein bisschen Kohle. Wir sind auch Lebensmittel klauen gegangen. Zum Beispiel haben wir morgens auf den Lieferwagen von Lebensmittel-Bolle gewartet, sind dem hinterher und haben uns die ganzen Puddings geholt. Weil alle so zugeraucht waren, mussten sie was Süsses essen, und so haben wir die Puddings abgekarrt.
Ein wenig haben wir mit Shit gedealt, keine grossen Mengen. Aber wir kannten all die Leute, die merkten, dass das ein Geschäft ist, aus dem du was machen kannst. Wir kannten Türken, die damals völlig naiv waren. Die wollten auf einen Schlag ein paar tausend Mark machen und sind auf die Grosshändler reingefallen, die Bullen waren. Ein konkretes Ereignis spielte auch bei uns draussen in Waidmannslust. Dort haben sie uns einmal aus dem PKW ein paar hundert Gramm herausgeholt. Das war praktisch die ganze Versorgung für unser Haus, wo alle von rauchten und lebten. Wir waren mit einem Schlag praktisch Pleite! Irgendjemand sagte: Das kriegen die zurück! Wir werden heute Nacht einen Bullenwagen in die Luft jagen! Wir haben dann mit ein paar Leuten gequatscht, die wir aus der Studentenszene kannten. Die haben uns dann auch was angeschleppt. Wir sind aber an diesem Abend nicht losgegangen, weil der Bommi damals zu feige war. Wir haben das Zeug im Haus versteckt und dann vergessen.
Damit hätten wir sowieso keinen Funkwagen in die Luft jagen können. Das war eine Pattexmischung mit Unkrautex. Das hätte höchstens eine Stichflamme gegeben.
Mittlerweile fingen aber einige an zu sagen: wir lassen uns diese dauernden Razzien in den Lokalen nicht mehr gefallen. Wir schlagen jetzt zurück. Das betraf vor allem das Zodiak am Halleschen Ufer, das Park in Halensee, das Sun in der Joachim-Friedrichstraße und das Mr. Go in der Yorckstraße, wo dann die letzte und wildeste Schlacht der Haschrebellen stattfand.
Dann gab's die erste Schlacht vorm Park, als die Leute sich gewehrt hatten. Wir wollten einfach durchsetzen, dass wir rauchen können. Die anderen koennen schliesslich auch saufen. Und so machten wir ein Smoke-In im Tiergarten. Das war im Juli 1969. Dort tauchten erstmals Flugblätter mit dem Namen umherschweifende Haschrebellen auf. Der Name ist, auch wenn er das heute vielleicht dementieren würde, von Kunzelmann erfunden worden. Beim Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen ging's vor allem darum, die Studenten zu ärgern. Weil die doch damals schon anfingen, Parteien zu gründen und lauter so hochtrabende Bezeichnungen erfanden. Es war eine Verkackeierung. Eine Antwort darauf gab's dann auch mit dem Zentralrat der umherschweifenden Wermutbrüder.
In Momorian:
Die Jungen werfen zum Spaß
Mit Steinen nach Fröschen,
Die Frösche sterben im ernst.
Um uns in Zukunft besser
wehren zu können
Um unsere Treffpunkte zu erhalten
Und überhaupt um uns besser
kennenzulernen ...
... treffen wir uns am Samstag,
dem 5. Juli 1969 zum
Ersten Westberliner Smoke-In
Im Tiergarten, hinterm Zoo.
Mitbringen: Instrumente, Stoff,
Schallplatten, Decken,
Plattenspieler mit
Batterie, Tap-Recorder und was
sonst noch Spaß macht.
Zentralrat der umherschweifenden
Haschrebellen
Nur wir selbst machen uns frei
und juchhigh!
Mit anarchistischen Grüßen:
Wir demonstrieren unsere
Solidarität mit unseren
eingekerkerten Freunden!
Es lebe die Superkultur!
Beim ersten Smoke-In im Tiergarten war ich in Schweden. Bei meiner Rückkehr hörte ich, dass sie Georg festgenommen hatten. 350-400 Leute hatten sich versammelt, haben geraucht, und die Bullen haben zugesehen und weiter nichts gemacht. Als alle Leute weggingen, ist Georg halb ohnmächtig im Gebüsch liegengeblieben. Er hatte irgendwelche Hasch-Kekse gefressen, die wohl 'ne Nummer zu gross waren. Die Bullen haben ihn nach Moabit gebracht, liessen ihm den Magen auspumpen und haben dabei 0,012 Gramm Haschisch gefunden. Dafür hat er einen Strafantrag und später drei oder vier Monate Knast gekriegt.
Protokoll des hilflos aufgegriffenen Georg v. R.
"Im Gebüsch liegend aufgegriffen, aufgrund meines Aussehens nicht wie normalerweise als "hilflose Person" in eine Ausnüchterungszelle gebracht, sondern mit Blaulicht nach Moabit, gewaltsam den Magen ausgepumpt, an Haaren und Armen festgehalten, dabei Diskriminierungen, danach Katheder, auf äußerst schmerzhafte und gewaltsame Weise die Blase ausgepumpt, das alles, um festzustellen, ob man einen Trip genommen habe, von einem Gerichtsmediziner völlig oberflächlich und dumm untersucht (mit der Empfehlung mich nach Wittenau einzuweisen), hin und her zwischen Gothaer Straße, Schöneberg und Moabit Untersuchungsgefängnis, offensichtlich völlig ratlos, wohin mit mir, dazwischen ständig Aufforderungen an Beamte, Pfleger etc., mich nach Wittenau zu bringen. Nachts dann doch in U-Haft (Krankenstation), am nächsten Tag in die Gothaer, Verhör mit außerordentlich höflichen Ton, hab selbstverständlich die Aussage verweigert, nach 7 weiteren Stunden, da kein Grund vorhanden war (nicht wohnungslos, keine Indizien auf Sucht oder Drogeneinnahme), entließ mich der Haftrichter."
Das Smoke-in von letzten Samstag war ein voller Erfolg: Die 60-70 Leute in der Springer-Presse waren in Wirklichkeit mehr als 200; die Polizei muß sich gegenüber der Öffentlichkeit für ihr außerordentliche schlappes Verhalten verantworten und selbst die Kreuzberger Massenbasisarbeiter in der "Schwarzen Rose" drohen mit harten, direkten Aktionen gegen den Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen.
Unser Smoke-In hat so ausgesehen: alle rauchen selbstverständlich in der Öffentlichkeit Ihren Joint, und jeder fühlte sich trotz dauernder Polizeistreifen (zu Pferde, mit Hund und Funkgerät) viel sicherer als allein zu Hause. Zusammen rauchen macht einfach mehr Spaß. Man raucht den Joint zusammen mit vielen Leuten, denen man außer auf Demonstrationen nur flüchtig und einzeln begegnet. Gemeinsame und permanente Treffpunkte sind die Ausgangsbasis für die Weiterführung einer nach marxistisch-leninistischen Richtlinien geführten Haschkampagne.
Der Zentralrat hat auf seiner letzten ZK-Sitzung aufgrund der Forderung der Massenbasis folgende Richtlinien beschlossen:
Wir brauchen mehr Musik, mit Tonbändern, Radios und Schallplatten oder von uns selbst auf mitgebrachten Instrumenten gemacht. Instrumente sind alle die Körper, die Klang erzeugen, den besten Klang könnten wir erzeugen, wenn wir einen Generator hätten. Wir müssen uns am Samstag überlegen, wie wir an einen Generator herankommen können. Jeden Samstag bei schönem Wetter findet im Tiergarten ein smoke-in statt.
Haschkekse nicht in Mengen essen!
Sonderbeschluß für Dieter K.:
Joint nehmen, ziehen, sofort weitergeben!
So waren die Anfänge des Zentralrats.
aus: Von den Haschrebellen zur Bewegung 2. Juni - Die Bewegung 2.Juni
Video vom ersten Smoke In 1969
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