In der Tageszeitung stand vor Tagen:
Zwei Worte.
Und die haben das ganze Arbeitslosenproblem
wieder von einer Seite beleuchtet,
wie ich es auch gerne beleuchtet haben möchte:
Da stand drin:
ARBEITSLOS? THEATERSPIELEN! --
Das find ich schon sehr gut.
Von Peter Weiss die Idee des Marat auf die Arbeitslosen übertragen.
Der hat damals gesagt:
"Die Irren -
Ihr seid ja nicht irre,
ihr wollt ja nur Theater spielen -
also dann spielt Theater,
und ihr werdet kulturell anerkannt,
und ihr seid nicht mehr die Irren." -
Das ist die Idee von Marat von Peter Weiss.
Das jetzt auf die Arbeitslosen übertragen:
"Ihr seid die Arbeitslosen.
Ihr holt Euch Geld in Nürnberg.
Und wir müssen dafür ackern,
und dadurch kommt die Wirtschaft im Staate durcheinander.
Spielt doch
- Oberammergau ist überall -
spielt doch Theater!
Warum schließt Ihr euch nicht zusammen,
holt euch trotzdem das Geld von Stingl aus Nürnberg,
und spielt in jeder Stadt die Arbeitslosen Theater.
Wirklich,
das ist 'ne sehr gute Idee für die Arbeitslosen:
Theaterspielen.
Ganz große Klasse.
Warum, da sagt einer,
das kann ich doch nicht,
Mann, ick stand doch zwanzig Jahre an der Drehbank,
ich bin ein hochqualifizierter technischer Facharbeiter,
der die technische Revolution hinter sich hat,
da sag' ich:
"IST DOCH EIN GLÜCK,
DASS DU ARBEITSLOS BIST!
ENDLICH KÖNNEN WIR DOCH MAL ---
probier mal,
sag' mal nach:
Shakes-pe-are,
Shakespeare,
sprech mal nach",
und da sagt der:
"Shakes-pe-are,
was meinst'n damit",
ich sage:
"Haste schonmal König Lear gehört?" -
"König --
den spielst du?"
Also die Arbeitslosen, ja?
Theater spielen.
Letzten Endes ist:
'ne Zeitung machen,
Theaterspielen,
'ne Musikgruppe machen -
natürlich erstmal eine Erholung für die Arbeitslosen.
Das ist doch 'ne Chance,
daß die Arbeitslosen jetzt arbeitslos sind,
das ist doch ein Zeichen der NATUR,
der kulturellen Natur,
daß der Mensch was anderes machen soll,
ETWAS ANDERES!
Zumindest träumen,
wenn schon nicht Theaterspielen.
Träumen!
Wenn ich Theaterspielen sage,
meine ich ja Träumen, ja? -
Natürlich,
wenn man dann mal drei Jahre Theater gespielt hat,
dann wird er sich suchen,
der Mensch,
der wird dann nach innen gehen,
jeder Mensch soll doch heute 'n bißchen nach innen gehen,
sich suchen.
Ist doch ganz klar,
warum?
Er ist 'n bißchen verrückt.
Was heißt das?
Das ist doppelt gemeint.
Er ist 'n bißchen irre,
aber auch'n bißchen verrückt im Sinne:
Ich nehme hier den Aschenbecher
und stelle ihn mal hier rüber --
das heißt:
Der Mensch wird geboren.
Ja?, ich rede jetzt über den Sinn des Lebens,
und ist nicht ganz grade,
also 'n bissl verrückt.
Aber im doppelten Sinne des Wortes,
'n bissl verrückt.
Dadurch,
daß er -räumlich- verrückt ist,
isser ja grad ein bißchen irre.
Das ist der geborene Mensch.
Jeder Mensch gleich,
das ist wie'ne Produktion,
muß man sich vorstellen,
bei Reemtsma,
die Zigarettenhülsen,
wie die rauskommen aus den Frauen,
hier zwischen den Beinen,
die Menschen, ---
müssen alle gradegerückt werden.
Und wer rückt die grade?
Das ist eben -
jetzt sag ich mal wieder das Klischee,
- Gottes Geheimnis.
Der Mensch kann sich nur selbst graderücken.
Mitleid ist überhaupt nicht angebracht.
Warum?
Na, der leidet ja schon alleine,
warum willst du denn noch mit-leiden?
Ist doch blöde! Ja? Doof.
Ich würde heute so'n Kind gebären lassen,
und da würde sofort auf'm Amt eingetragen:
In neunzehn Jahren,
also mit neunzehn Jahren,
muß das Kind 'ne Viertelstunde Fernsehen machen. -
Was heißt das:
Es braucht keine Schule,
keine Ausbildung, keine Lehre, keinen Beruf,
sondern das Kind ist heute am 21. 22. 23. Januar geboren,
und muß in neunzehn Jahren
eine Viertelstunde Fernsehen abliefern beim Sender,
wird eingetragen,
is' jeder dran - wie Konfirmation.
Das ist eine Idee,
die basiert auf einer Idee von Andreas Warhol,
ein Künstler in New York,
der hat gesagt:
"Ja, der neue Beruf ist nicht mehr Autoschlosser,
sondern: Jeder einmal berühmt werden."
Und seit Baader/Meinhof wissen wir:
Dieses Berühmtwerden heißt: -
seit der täglichen Werbeindustrie wissen wir -
dieses Berühmtwerden um jeden Preis is' nich -
BERÜHMTWERDEN MIT LEICHTIGKEIT is' besser.
Also nich' die Filmkarriere, auch nich'
"Wie werd' ich unbekannt",
Kabarett, ach Quatsch,
berühmtwerden:
LEBENSKÜNSTLER ! -
Das is' det,
was ich aus meiner deutschen Innerlichkeit heraus bringe.
Der Lebenskünstler heute muß entstehen,
der DEUTSCHE LEBENSKÜNSTLER,
den die internationale Welt anerkennt
- made in Germany, Lebenskünstler ---
das, was die Engländer immer waren,
haben wir jetzt 'ne Chance zu werden ...
Das einzige,
was ich nicht kann, ist:
ein Spießer zu sein.
Ich bin kein Spießer, weil --
ich keine Angst habe.
Das ist es.
Ich WAR ein Spießer,
weil ich soviel Angst hatte.
JETZT bin ich schon seit zehn Jahren kein Spießer mehr,
weil ich ABSOLUT KEINE ANGST HABE.
Absolut keine.
Und Spießigkeit kommt nur aus Ängstlichkeit.
... Gemütlichkeit ist 'ne ganz andere Hochzeit,
die hat überhaupt nichts mit Spießigkeit zu tun.
Das kommt von GEMÜT.
Das hat auch garnichts mit Sinnesreichtum zu tun,
auch nichts mit Sexualität -
das kommt von "Gemüt".
Das ist das EINZIGE,
Was es neu zu entdecken gilt,
neu zu entwickeln gilt,
mit aller technischen Revolution zu beleben gilt:
die deutsche Gemütlichkeit