Das Übel an der Wurzel packen!

Radikal sein heißt: das Übel an der Wurzel packen!
1972 – Bewegung 2. Juni

Gestern Nacht wurden die Gesetzesbücher in der Juristischen Fakultät verbrannt. Diese Gesetze sind nicht unsere Gesetze, sondern die der Ausbeuter und Menschenschinder, der Chefs und Politiker. Wer sie bekämpft, wird mit ihren Gesetzten bestraft.

John Sinclair von den MC5 wurde für zwei Gramm Marihuana mit zehn Jahren Knast bestraft. Feltrinelli wird auf hinterhältige Art ermordet. Valpredas Prozess wird in die Länge gezogen, bis die Entlastungszeugen umgebracht sind. Das Verfahren gegen den Bullen, der den 17 jährigen Lehrling umgelegt hat, wurde eingestellt. Klaus Hoppstädter sagte zu einem Bullen: „Genickschuss-Bulle“, und bekam 15 Monate Knast.

Ungestraft bleiben die Richter und Staatsanwälte und Bullen, die diese Gesetze praktizieren. Ungestraft bleiben die, die für die Übel und Missstände in diesem Land verantwortlich sind. Ungestraft bleiben die Bosse der Konzerne. Ungestraft die Handlanger und Marionetten des Senats.

Dagegen zu kämpfen, ist unsere Sache. Der Macht des Staatsapparates haben die revolutionären Kräfte nur eines entgegenzusetzen: Den entschlossenen solidarischen Kampf!

Wir wollen keine Juristische Fakultät, an der neue Schweine ausgebildet werden!
Rache für Feltrinelli und Pinelli!
Freiheit für Valpreda!
Freiheit für alle Gefangenen!

Der organisierten Gewalt des Staatsapparates die organisierte revolutionäre Gewalt entgegensetzen!

Nur wer Kämpft, der lebt!
Bewegung 2. Juni

Programm der Bewegung 2. Juni 1972

Das Programm wurde von der Bundesanwaltschaft im Lorenz-Drenkmann-Prozess verlesen. Der Vorsitzende Richter Geus wollte von den Angeklagten wissen, „wer das denn verfasst hätte“. „Wir auch!“ kam die prompte Antwort von den Angeklagten. Bis heute kennt niemand die AutorInnen des Programms. Geschrieben ist es höchstwahrscheinlich 1972 und gibt den Diskussionsstand von damals ganz gut wieder.

  1. Die Bewegung versteht sich als Anfang einer Organisation verschiedener autonomer Gruppen der Stadtguerilla.
  2. Die Bewegung ist bemüht, dauernd revolutionäre Praxis zu betreiben. Nur so kann sie den Anspruch erheben, revolutionär zu sein. Sie versteht sich als antiautoritär, allerdings dürfen niemals der strategische Plan, theoretische und praktische Prinzipien und eine der Guerilla spezifische Disziplin fehlen.
  3. Die Bewegung zählt sich nur insoweit zur Avantgarde, als sie „zu den ersten zählt, die die Waffe ergreifen“. Sie wird nicht dadurch zur Avantgarde, dass sie sich einfach so nennt. Das Gewehr allein und der Vollzug „revolutionärer Aktionen“ genügt nicht, den Anspruch zu rechtfertigen. Die Bewegung muss zur Aktion übergehen, eine überzeugende revolutionäre Praxis treiben, sich den Massen durch Kontinuität und vermittelte Aktionen verständlich machen. Sie muss zeigen, dass allein die Aktion die Avantgarde schafft und dass jegliche Avantgarde überflüssig geworden ist, wenn die Aktionen vom Volk aufgegriffen und vermasst sind.
  4. Im Zeitalter des entwickelten Imperialismus bedurfte es keiner neuen Analysen, dass die Hauptaufgabe nicht der Aufbau einer Partei ist, sondern die Auslösung der revolutionären Aktion, die Schaffung einer Organisation der bewaffneten, revolutionären Gegengewalt des Volkes gegen die organisierte Gewalt des Staatsapparates.
  5. Die ersten Aufgaben der Bewegung bestehen darin, sich systematisch den von ihr geleiteten Aktionen zu widmen, wenn diese anfänglich auch noch begrenzt sind.
  6. Entscheidend für die Arbeit der Organisation ist die Fähigkeit der Gruppe und Initiativen. Kein Kommando und keine Koordinationsstelle, kein Zentralkomitee und keine Vollversammlung besitzt das Recht, die Autorität, die Initiative einer Gruppe zu verhindern, die darauf gerichtet ist, eine revolutionäre Aktion auszulösen. Wir gehen jedoch davon aus, dass jede Gruppe durch das Schaffen eines reichen theoretischen Fundamentes in der Lage ist, nur solche Aktionen auszulösen, die geeignet sind, dem Volk zu dienen.
  7. Die militärische Linie der Bewegung 2. Juni ist nicht von der politischen Linie getrennt und ist ihr nicht untergeordnet. Wir betrachten beide Linien als untrennbar verbunden. Sie sind zwei Seiten derselben revolutionären Sache. die Linie der Bewegung 2. Juni ist einheitlich politisch-militärisch. Sie ist revolutionär. Die legal arbeitenden Genossen arbeiten an der Basis, in den Stadtteilen, Betrieben, Basisgruppen, in den Schulen und Universitäten und sind bemüht, an der Vereinheitlichung der städtischen Massenfront mitzuwirken.
  8. Die Genossen der Bewegung betrachten ihre Arbeit in der Massenfront, in der Logistik und in den bewaffneten, taktischen Einheiten als Vollzeitarbeit. Im Zuge der zunehmenden Faschisierung der westlichen Industrienationen, im Zeichen der Prometheus- und Notstandspläne, im Zeichen der Handgranaten- und verschärften Ausländergesetzte angesichts der Militärisierung der Klassenkämpfe seitens des Kapitals und der verstärkten imperialistischen Bemühungen des Metropolenkapitals besteht die Arbeit der Bewegung 2. Juni darin, durch Aufzeigen revolutionärer Interventionsmethoden zur Lösung des Grundwiderspruchs in kapitalistischen Ländern beizutragen. Dazu gehört die DIREKTE Unterstützung von Massenkämpfen, gehört die Propagierung von Kampfmethoden nationaler und internationaler Lohnabhängigenmassen, gehört die Aufklärung über Möglichkeiten neuer Kampfmethoden. Deshalb hängt der Erfolg der revolutionären Praxis der Bewegung von der dauernden, direkten und persönlichen Teilnahme der Mitglieder der Kommandos ab.
  9. Die Bewegung des 2. Juni ist nicht der bewaffnete Arm einer Partei oder einer Organisation. Die bewaffneten, taktischen Einheiten der Bewegung sind die selbständigen politisch-militärischen Kommandos der Organisation. Zur ständigen Arbeit der legal arbeitenden Genossen der Bewegung, die noch nicht in den Untergrund gezwungen worden sind, gehört es jedoch innerhalb der Organisationen, in denen sie wirken, die Schaffung revolutionärer Milizen zu propagieren und zu initiieren. Wir unterscheiden nicht zwischen „legal“ und „illegal“. Erfolg bringen nur Aktionen, die die Herrschenden „illegal“ nennen. Eine erfolgreiche legale Aktion der Basis wird illegalisiert. Wer das nicht in Kauf nimmt, kann nicht revolutionär genannt werden.
  10. Die Bewegung 2. Juni ist keineswegs dem „romantischen Mythos“ der „Untergrundarbeit“ verfallen. Die Kader der Bewegung schätzen ihre Arbeit und ihr Risiko realistisch ein. Sie sind sich klar darüber, zusammen mit anderen Guerilla-Organisationen, wie z. B. der RAF, als Vorhut zur Schaffung einer Armee des Volkes zu hochgradigen Staatsfeinden erklärt zu werden. Dass der revolutionäre Tod im Zuge der verschärften Klassenauseinandersetzungen zunehmen wird, ist uns klar. Der Terror, der sich jetzt gegen die Kader und Propagandisten der Stadtguerilla wendet, ist nur Vorbereitung auf bevorstehende Klassenkämpfe. Der Krieg gegen Staat und Kapital wird ein langwieriger Krieg werden. Und gerade das Studium der deutschen Arbeiterbewegung zeigt uns überdeutlich, dass wir das Kriegführen lernen müssen. Das Kriegführen aber lernen wir nur in der Praxis. Praxis heißt für uns: Schaffung militanter legaler Gruppen, Schaffung von Milizen, Schaffung von Stadtguerilla – bis zur Armee des Volkes.
  11. Der Kampf gegen Kapital und Staat ist kein Kampf gegen Charaktermasken. Es ist der Kampf gegen die 1,3 Prozent der Bevölkerung, die über 74 Prozent des Produktionsvermögens verfügen, samt ihren Handlangern in Uniform und Zivil. Unser Ziel ist nicht die Schaffung einer „Diktatur des Proletariats“, sondern das Zerschlagen der Herrschaft der Schweine über die Menschen, ist das Zerschlagen der Herrschaft des Kapitals, der Parteien, des Staates. Das Ziel ist die Errichtung einer Rätedemokratie. Das Regime der Schweine wird nicht durch Formeln beseitigt, sondern durch den revolutionären Kampf. Dieser Kampf kann nicht national geführt und gewonnen werden, er ist international. Die Bewegung arbeitet mit allen sozialistischen Guerilla-Gruppen der Welt zusammen, ja, dieses Programm lehnt sich an das unserer brasilianischen Freunde der MLB an. Die Bewegung 2. Juni ist Teil einer weltweiten sozialistischen Offensive, sie kämpft Schulter an Schulter mit der IRA, den Weathermen, der Gauche Proletarienne, den Roten Brigaden und allen anderen Guerilla-Organisationen.

Die revolutionäre Guerilla aufbauen! Der organisierten Gewalt des Staatsapparates die organisierte revolutionäre Gewalt entgegensetzen! Sieg im Volkskrieg! Alle Macht dem Volk!

Bewegung 2. Juni

Quelle: Der Blues, Seite 10-13