Bommi Baumann, Wie alles anfing

Daß du dich für den Terrorismus entscheidest, ist schon psychisch vorprogrammiert. Ich kann es heute bei mir sehen, das ist einfach Furcht vor der Liebe gewesen, bei mir selber, aus der du dich flüchtest in eine absolute Gewalt. Hätte ich die Dimension Liebe für mich vorher richtig abgescheckt, hätte ich es nicht gemacht. Dann hätte ich es auf Umwegen richtig erkannt.

Die einzige Stelle, an der ich dabei war es zu erkennen, war mein Verhältnis zu Hella. Genau da bin ich in den Knast gekommen. Da war wieder der Brake. Im Knast wird nur Haß erzeugt, und daß sie dann nachher von den Bullen am Krankenbeft kaputt gemacht wird, bringt noch mehr Haß ...

Das habe ich bei ganz vielen gesehen, daß sie bei ganz bestimmten Sachen, wo es wirklich ernst wurde, daß sie da dann genau schlapp gemacht haben. oder daß sie da einfach wieder bürgerliche Verhaltensweisen angenommen haben und dieselben stumpfsinnigen Frauenunterdrücker oder geilen Böcke geblieben sind.

An diesen Sachen sind alle zerbrochen, Brockmann ist ein Musterbeispiel. Der hatte einfach, schon durch diesen ganzen Streß und weil er nachher nur noch für diese Gruppe wie ein Lieferant rumgerannt ist und schon wieder ein Angestellter war — der hatte als letzten Bezugspunkt überhaupt nur noch seine Freundin gehabt, Petra, die kenne ich auch. Als er merkt, daß er die auch noch verliert über seine Geschichten, entscheidet er sich für sie. Das ist eigentlich noch das letzte Klare, was dieser Mensch gemacht hat, dann wird er auch noch geschnappt, und dann bricht er zusammen.

Als die Bullen sagen, hör mal zu, entweder du sagst aus oder deine Braut verschwindet auch irgendwie, die siehst du nie wieder, in dem Augenblick sagte er einfach klar, hier, ich erzähle was ich weiß, von A bis Z, erbarmungslos. Ist niemand mehr ein Vorwurf zu machen, das muß man wirklich so sehen. Brockmann ist nicht mehr der Verräter im klassischen Sinne, der ist wirklich nur noch Opfer der Umstände.

Diese Punkte — Furcht vor der Liebe und Furcht vor der Freiheit - muß man noch einmal in Angriff nehmen, und da muß man dran arbeiten. ...........

Bis jetzt hat sich gezeigt, daß es nicht ein Gleichzeitig von revolutionärer Praxis und Liebe gibt. Ich sehe es nicht, ich sehe es bis heute noch nicht. Sonst hätte ich vielleicht weitergemacht. Aber ich habe es so gesehen, du entscheidest dich und du hörst auf und schmeißt die Knarre weg und sagst ok. — Ende ....

An Schmücker, daß sie den umschießen, da sichst du doch, wie schlimm es schon ist. Ist doch ein kleiner harmloser Student gewesen. Den haben sie einfach in so eine Situation gedrängt. Da haben sie gar nicht überlegt, ob der so weit ist, das zu verkraften. Soviel konnte der auch nicht erzählen, und dann legen sie ihn so um. Das ist ja eine richtige Hinrichtung, kann man wirklich nicht mehr anders sehen. Erinnert stark an Charles Manson, der Mord an Schmücker. Ist wirklich Mord, muß man sehen. Mir selber haben sie es ja auch schon angedroht, aber ich lache darüber. Aber so einen kleinen Typen wie Schmücker, den wickeln sie ein und legen ihn um ....

Wenn man zu wählen hat zwischen Bombe und Liebe und nur die Liebe bei rauskommt, dann ist das erstmal völlig privat und es wird nichts geändert, es bleibt auf sich beschränkt, aber du kannst es dann auch umsetzen, da gewinnst du von der anderen Seite her eine Kraft, die du auch wieder neu einsetzen kannst, daß du mit Leuten wieder anders reden und kommunizieren kannst. Da fangen einfach wieder andere Geschichten an, in einer anderen Hinsicht. Das muß ja nun nicht eine gewaltsame Geschichte sein, weil die in der Form nicht möglich ist, im Moment echt nicht drin ist, da ist keine Alternative zu sehen. Dann geht es einfach darum, daß du das Feuer hältst, mehr kannst du in dem Augenblick nicht machen.

Wenn ich hier jetzt so ein Buch mache — so ehrlich wie möglich — glaube ich, daß es den Leuten hilft, noch einmal darüber nachzudenken, wie es gelaufen ist, und wie es eigentlich laufen könnte. Das ist auch ein Beitrag, eine Möglichkeit, wie du am Prozeß teilnimmst, also so aufrichtig und selbstkritisch wie möglich. Auch wenn es vielen mal wieder nicht paßt, weil viel gesagt wird, was viele wieder übelnehmen.

Ich persönlich sehe eine allgemeine Weiterentwicklung im Aufgreifen von alten Prozessen, daß da noch mal etwas weiterentwickelt wird, zum Beispiel diese Kommunegeschichten ....

Terror oder Liebe?

Wie wird man Terrorist?

Quelle: Der Blues, Seite 250