die ermordung benno ohnesorgs am 2. juni 1967

"wir lassen uns nicht laenger von einer minderheit terrorisieren." (heinrich albertz, regierender buergermeister von berlin, 3. juni 1967)

 

zusammengestellt von joerg prante

literatur zum 2. juni
abbildungen

vorwort

am 2. juni 1967 wurde in berlin ein student von einem deutschen polizisten erschossen. karl-heinz kurras, 39 jahre alt, aus der abteilung i (politische polizei) toetete benno ohnesorg, 26 jahre alt, student der romanistik, pazifist und mitglied der evangelischen studentinnengemeinde, bei einer demonstration gegen den besuch des schahs von persien. benno ohnesorg hatte das erste mal in seinem leben an einer demonstration teilgenommen. der tag wurde zum historischen datum. an diesem tag trat eine "kleine radikale minderheit" von studierenden, die jahre spaeter so getauften 68er, bundesweit als oppositioneller faktor in erscheinung. die genauen vorgaenge um die erschiessung benno ohnesorgs hatte wochen und monate spaeter erst ein studentischer ermittlungsausschuss ermitteln koennen.

der todesschuss des beamten der politischen polizei war keine zufaellige entgleisung eines schiesswuetigen psychopathen, sondern resultat eines kalkulierten risikos gewesen, das der senat und die polizeifuehrung eingegangen sind. die ganze strategie der verdrehung, der verbreitung von halbwahrheiten, vertuschungen und luegen, die regierung, polizei, justiz und presse zusammen verfolgten, offenbarte sich. doch die schrittweise und muehsame wahrheitsfindung aenderte nicht viel daran, dass sich dank der agitation durch die presse die breite oeffentlichkeit der brd nach wie vor gegen die studentinnenbewegung wandte. die hetze gipfelte in dem anschlag des von der presse aufgestachelten 24jaehrigen anstreichers josef bachmann auf rudi dutschke am 11. april 1968.

die schwierigen bedingungen, unter denen die studentinnen damals selbstaendig und unabhaengig politik machten und dabei die bundesdeutsche gesellschaft auf jahrzehnte veraendern sollten, koennen wir heute rueckblickend aus einiger distanz beurteilen, aber kaum richtig nachvollziehen. um so notwendiger erscheint uns heute, 30 jahre danach, die veroeffentlichung dieser dokumentation. denn heute scheint es leicht, die ereignisse des 2. juni und der folgenden tage herauszuheben und zu glorifizieren. schwerer faellt hingegen die politische analyse. wir wollen durch diese veroeffentlichung, die zum groessten teil auf der in genauigkeit unuebertroffenen darstellung des studentischen ermittlungsausschusses basiert, einen beitrag dazu leisten.

es ist so viel ueber den tod benno ohnesorgs und die unruhen, die ihm folgten, geschrieben worden, dass leicht der eindruck ensteht, dieser moment habe entscheidend die revolte gepraegt. der augenblick hatte aber eine gewisse beliebigkeit. das zufallsgespraech am tresen einen abend zuvor belegt das. alles haette schon monate vorher oder nachher - oder auch gar nicht - passieren koennen. schon seit ende 1966 konnte die brutalitaet der polizeieinsaetze und das ausmass der oeffentlichen hetze gegen die kleine kritische minderheit der studierenden toedlich sein. diese folge der heute kaum noch vorstellbaren ideologischen schaerfe des kalten kriegs in der "frontstadt" berlin und das empfinden der akteure auf seiten der polizei, der regierung, der presse und der studierenden wollen wir versuchen nachzuzeichnen. das misstrauen gegenueber einer presse, die, anstatt aufzuklaeren, pogromstimmung schuerte, und das misstrauen gegenueber einer regierung und einer polizei, die sich gegenseitig in ihrem fehlverhalten ermutigten und rechtfertigten, fuehrte dazu, dass berliner studierende am 3. juni 1967 in der freien universitaet einen untersuchungsausschuss gruendeten. er sollte die staatlichen organe zur aufklaerung des polizeieinsatzes am 2. juni zwingen und zugleich die mittel oeffentlicher kontrolle an die hand geben. die studierenden sammelten unermuedlich augenzeugenberichte, fotografien, gingen auf die strassen, befragten passanten und protokollierten diskussionen, gingen in die gerichtssaele, um die reaktionen der justiz zu beobachten und verfolgten die verhandlungen des parlamentarischen untersuchungsausschusses. 650 schriftliche berichte, 100 tonbandaussagen, ca. 600 fotografien und dazugehoerige identifizierungslisten, tonband- und filmmaterial, ausbildungs- und dienstvorschriften sowie polizeiveroeffentlichungen, einsatzbefehle, verlaufsberichte, verhandlungsmitschriften, urteile und urteilsbegruendungen, presseartikelsammlungen und protokolle des parlamentarischen untersuchungsausschusses sind auf diese weise zusammengetragen worden. der polizeieinsatz vor der oper konnte durch modelle des opernvorplatzes, durch fotos und filmaufnahmen und zeugenbebachtungen genau rekonstruiert werden.

zu oft wird der 68er-glanz, gerade von unserer elterngeneration, medientraechtig verherrlicht und bejubelt. und man gedenkt gern einem happening, das unheimlich frech, witzig, bunt, originell, sexy etc., aber offenbar kaum politisch gewesen sein soll. in den 68ern befanden sich in wirklichkeit vor allem politische, aber unterschiedliche gestalten wie rudi dutschke, ulrike meinhof, oder daniel cohn-bendit. mit rudi dutschke, mit seinen tiefgreifenden analysen und ideen will die heutige studentinnengeneration nichts mehr zu tun haben. viele wollen verdraengen, worum es der studentinnenbewegung damals ging. heute wissen die studentinnen: wer heute mit dem 68er-mythos spazierengeht, will davon meist auf simple art profitieren und die damaligen ereignisse fuer seine eigenen interessen gnadenlos verwerten. in diesem sinne wollen wir den heute zumeist hochdotierten und etablierten alt-68erinnen nicht erlauben, sich die vergangenheit so platt zusammenzubiegen, wie es ihrer heutigen sichtweise entsprechen mag, indem wir ihnen unsere dokumentation entgegensetzen. die 68er-studentinnenbewegung ist geschichte, sie ist geschichte der ausserparlamentarischen opposition in der brd, und sie ist unsere geschichte.

was koennen wir den ereignissen aus dieser zeit, in der "alles moeglich schien", fuer die gegenwart der berliner republik abgewinnen? schnell koennen sich die zeiten wieder aendern. gerade vor dem hintergrund des aktuellen offensiven rechts-konservativen klimas, neoliberaler globalisierung, der massenarbeitslosigkeit, des sozialabbaus, des verdeckten und institutionalisierten rassismus, der atomtransporte und neuer deutscher traeume von bundeswehr-kriegseinsaetzen wollen wir nicht vergessen, dass die herrschenden politischen kraefte immer die reale moeglichkeit haben, unvermittelt und mit brutaler gewalt gegen unliebsame gesellschaftliche gruppen vorzugehen. das muessen nicht immer die studierenden sein, und es muessen nicht immer knueppel sein. "es gibt keine sicherheit fuer die zukunft, dass wir nicht scheitern. aber wenn die freie gesellschaft sehr unwahrscheinlich ist, bedarf es um so groesserer anstrengungen, die historische moeglichkeit zu verwirklichen, ohne die sicherheit zu haben, dass es wirklich gelingen wird. es haengt vom willen der menschen ab, dass sie es schaffen und wenn wir es nicht schaffen, dann haben wir eine historische periode verloren", sagte rudi dutschke damals. heute gilt es, genau so zu denken, gerade weil die verhaeltnisse in deutschland nach fast 15 jahren kohl-aera, der laengsten kanzlerschaft der brd, versteinerter denn je erscheinen und der reaktionaere wind den politisch und emanzipatorisch denkenden menschen so scharf ins gesicht blaest.

 

zur vorgeschichte des 2. juni

der konflikt zwischen studierenden und gesellschaft entwickelte sich in berlin vom inneren der freien universitaet nach aussen, wurde vom kampf um die hochschulreform zur auseinandersetzung um die verhaeltnisse in der gesellschaft und um die zukunft des politischen systems. als nicht vollstaendig abhaengige und integrierte gesellschaftliche gruppe ergriffen die studierenden das politische mandat, ueberwanden zum ersten mal in der geschichte der bundesrepublik die staendischen interessenkonflikte und unterzogen das politische system einer umfassenden kritik. im gleichen masse, wie nach dem ende der wiederaufbau- und restaurationsphase der brd die grundlagen dieses systems angezweifelt wurden, wuchs die kritik dieses systems am politischen mandat der studierenden. die rein formale frage nach dem politischen mandat durfte aber nicht von der sache, naemlich der auseinandersetzung mit bestimmten gesellschaftlichen themen, ablenken. in berlin verdankte die freie universitaet (fu), von den alliierten 1946 gegruendet, ihr dasein als gegenkonzept zur forschung und lehre unter kommunistischem vorzeichen einem selbsterteiltem politischen mandat. politisches engagement war willkommen, solange es mit dem herrschenden system konform ging.

die konflikte um studienreform und zwangsexmatrikulation verlagerten sich 1966 von der universitaet in die stadt, vom diskutieren ins demonstrieren. der rektor antwortete auf die anliegen der studierenden mit disziplinarverfahren und drohte mit relegationen. neue methoden der regelueberschreitung wurden daraufhin von den studierenden erprobt, aber auch verworfen: "zu schweren zusammenstoessen zwischen polizei und demonstranten kam es am wochenende bei einer demonstration von 2000 studenten und jugendlichen gegen den vietnam-krieg in west-berlin. als die demonstranten von dem ihnen vorgeschriebenen marschweg abwichen, schlugen polizisten wahllos mit gumminknueppeln auf sie ein, beschlagnahmten plakate und zerrissen einige an ort und stelle. 74 jugendliche wurden von der polizei festgenommen und 55 plakate beschlagnahmt." (frankfurter rundschau, 12.12.66) "spaeter veranstalteten jugendliche demonstranten auf dem kurfuerstendamm eine art 'weihnachtspolitisches happening'. sie errichteten einen weihnachtsbaum, der die amerikanische fahne und das transparent 'spiesser aller laender, vereinigt euch' trug. pappmache-koepfe von ulbricht und johnson wurden mit benzingetraenkten strohhueten verziert und angezuendet. dazu erklangen weihnachtslieder... zu den vorfaellen bei der demonstration erklaerte ein sprecher des senats: 'berlin verurteilt das treiben der politischen rowdies, die sich studenten nennen. die berliner sind sicher, dass sich auch die mehrzahl der studenten von den rowdies distanziert. im uebrigen handelt es sich dabei um eine verschwindende minderheit.'" (der tagesspiegel, 11.12.66)

die taktik, demonstrationen als spaziergaenge durchzufuehren, erfanden die studierenden als antwort auf die pruegelei der polizei am 10. dezember. aktionen mussten unangreifbar fuer die polizei werden. die studierenden entwarfen fuer ihre aktionen ein flugblatt: "... aus protest gegen die brutalen schlaeger dieser demokratie gehen wir auf die strasse. um uns nicht zusammenschlagen zu lassen, um nicht die hilflosen opfer der aggressivitaet junger leute in polizeiuniform zu sein, demonstrieren wir nicht in der alten form, sondern in gruppen als spaziergaenger; wir treffen uns vorher an bestimmten punkten, um uns beim nahen der freunde von der polizei zu zerstreuen... diese spa-pro-taktik will die versteinerte legalitaet laecherlich machen, will das irrationale der rationellen ordnung blosslegen, will durch spass zeigen, dass die vor- und leitbilder dieser gesellschaft narren sind. wir spazieren fuer die polizei! wir fordern fuer sie die 35-stunden-woche, damit sie mehr zeit zum lesen haben, mehr musse fuer die braeute und ehefrauen, um im liebesspiel die aggressionen zu verlieren, mehr zeit zum diskutieren, um den alten passanten die demokratie zu erklaeren. wir fordern eine moderne ausruestung fuer die polizei: statt des gummiknueppels eine weisse buechse, in der sich bonbons fuer weinende kinder befinden und verhuetungsmittel fuer teenager, die sich lieben wollen, und pornographie fuer geile opas. wir fordern eine gehaltserhoehung: das gehalt muss groesser sein als der sold der springer-schreiber, denn die polizei ist die letzte stuetze der demokratie, denn eines tages wird sie als bewusste opposition der 'grossen koalition' in den bundestag einziehen muessen. ausschuss 'rettet die polizei e.v.'" die berliner bevoelkerung wurde durch die bild-zeitung auf leibhaftige buergerschrecks vorbereitet: "studenten wollen wieder krawall!" 14 einsatzleiter und 205 beamte versuchen stundenlang, auf dem ku'damm mitten in der vorweihnachtszeit demonstranten zu fangen, die blitzschnell auftauchen, flugblaetter verteilen und wieder verschwinden. das spiel macht muerbe und aggressiv, die polizei dreht durch, bildet ketten und nimmt 74 menschen fest, die meisten sind weihnachtseinkaeufer, ku'dammbummler, touristen und zwei journalisten.

am naechsten tag rueckt die bild-zeitung wieder alles gerade: "freifahrt in gruener minna fuer 86 krawallstudenten! von der stirne heiss/floss der polizisten schweiss." die berliner polizei und mit ihr die frontstadtpresse konnten es nicht ertragen, von den studentischen aktionen an der nase herumgefuehrt zu werden. beim versuch, sich mit taktischen methoden dem gegner anzupassen, der sich den polizeiknueppeln nicht offen stellen wollte, musste die polizei auf greiftrupps ziviler haescher zurueckgreifen. am jahresende 1966 kuendigte der neue regierende buergermeister albertz an, er wolle aktiv zur schlichtung der unruhe an der freien universitaet eingreifen. in seiner eigenschaft als vorsitzender des kuratoriums der fu setzte er kurz darauf die sperrung der im haushaltsplan vorgesehen mittel fuer die studentenschaft durch. am 26. januar 1967 liess die staatsanwaltschaft das buero des landesverbandes berlin des sozialistischen deutschen studentenbundes (sds) durchsuchen und beschlagnahmte die mitgliederkartei. grund: vier ehemalige rektoren empfanden sich als adressaten des flugblatt-schlagworts von den "professoralen fachidioten". 113 professoren, dozenten und assistenten forderten die einsetzung eines parlamentarischen untersuchungsausschusses zur ueberpruefung der vorgaenge bei der durchsuchung der sds-raeume und des vorgehens der polizei gegen demonstranten. der sds beschaeftigte den bundestag. auf eine anfrage des cdu-abgeordneten pohle, der nach dem "kommunistischen einschlag" im sds fragte, antwortete der innenstaatssekretaer professor werner ernst: "der bundesregierung ist bekannt, dass im sozialistischen deutschen studentenbund prokommunistische kraefte in letzter zeit stark an einfluss gewonnen haben." (das parlament, 8.2.67) das verhaeltnis zwischen polizei und studierenden wurde laengst zum massstab fuer den inneren zustand west-berlins. senatsrat prill betonte auf einer podiumsdiskussion seine auf "wilde demonstranten" gemuenzte aeusserung: "die sollen nur kommen, dann kriegen sie eins mit dem knueppel auf den kopf, das ist dann ein gutes uebungsfeld fuer unsere polizeibeamten." (die welt, 2.2.67)

am 5. februar protestierten ueber 2000 studenten gegen den vietnam-krieg und gegen die verhaftung von fuenf plakatklebern des sds, die in der stadt etwa 50 plakate mit der ueberschrift "erhard und die bonner parteien unterstuetzen mord" geklebt hatten. vom kurfuerstendamm zogen sie zum amerikahaus beim bahnhof zoo, wo es erstmals in der deutschen geschichte zu einem sitzstreik, einem "sit-in" kam. das war neu: wer einfach so dasitzt, bedroht niemanden. gewaltfreier widerstand. auf den protestschildern stand zu lesen: raus aus dem gefaengnis mit den berliner studenten - verhandlungen mit der fnl!- frieden statt diplomatenluegen - wo bleiben freie wahlen fuer vietnam? - statt us-weltgendarm - freiheit und selbstbestimmung fuer vietnam - solidaritaet mit kriegsgegnern in den usa! die antwort der polizei lautete rabiater knueppeleinsatz. im getuemmel und gepruegel gelang es einigen studierenden noch, die fahne der vereinigten staaten herunterzuholen und einige eier gegen die fassade zu werfen.

das oeffentliche echo am naechsten tag: "die narren von west-berlin!" (berliner morgenpost, 6.2.67) und am uebernaechsten tag: "beschaemend! undenkbar! kurzsichtig!" (bild-zeitung, 7.2.67), "inspektor sagt: eine schande fuer unser berlin!" (bz, 7.2.67) am 6. april besuchte der vizepraesident der usa, humphrey, west-berlin. dazu berichtete die berliner morgenpost: "in einer blitzaktion nahm die politische polizei gestern abend in berlin elf raedelsfuehrer fest, die fuer heute einen anschlag gegen us-vizepraesident humphrey geplant hatten. den verschwoerern wird verabredung zum mord oder zu schwerer koerperverletzung vorgeworfen. die polizei ueberraschte mehrere kommunistisch orientierte westberliner studenten beim abwiegen von sprengstoff in behelfsmaessige kleine granathuelsen und beim einfuellen einer aetzenden saeure in plastikbeutel... die kleine gruppe der westberliner anhaenger des rotchinesischen parteichefs mao tse-tung verkehrt regelmaessig in der pekinger botschaft im sowjetsektor." am morgen nach humphreys besuch wurden die angeblichen verschwoerer wieder freigelassen. bei ihrem "anschlag" hatten sie rauchkerzen, farbe und pudding werfen wollen. die berliner polizei und die presse war in der weltoeffentlichkeit blamiert.

als die studierenden sich am 19. april gegen die repressiven massnahmen von senat und rektor mit einer sitzdemonstration in der fu zur wehr setzten, hielt sich die polizei zurueck. rektor lieber sprach von "faschistischen methoden", mit denen die studierenden protestieren wuerden. die bild-zeitung schrieb am 27. april ueber die "randalierer" an der "radau-universitaet": "das fass ist jetzt voll!" und zitierte den pressereferenten des rektors: "jetzt wird aufgeraeumt!"

 

der schah-besuch

in diesem fruehling 1967 erwartete die bundesrepublik den besuch des schahs von persien, reza pahlevi, und seiner frau, der schabanu, farah diba. die regenbogenpresse schwelgte in maerchenhaften geschichten ueber den glanz des pfauenthrones. nach dem sturz des persischen regierungschefs mossagdeh hatte der neue machthaber ein brutales folter- und terrorregime eingefuehrt. die exkursionen von staatsbesuchern nach berlin und moeglichst an die mauer wurden in dieser zeit des kalten krieges zu einem ritual, und auch der schah wurde davon nicht verschont. noch unmittelbar vor der reise laesst sich der protokollchef der bundesregierung ueberzeugen, dass der geregelte ablauf der staatsvisite gewaehrleistet ist. das bundesministerium des inneren wuenschte hoechste alarmstufe fuer die sicherheitsorgane und demonstrationen moeglichst fern von den schauplaetzen des statsbesuches. die polizei hatte alles vorbereitet, von der ehren-eskorte bis zu gefangenensammelstellen, von verkehrsumleitungen bis zu greiftrupps und zur vorwarnung an krankenhaeuser. oppositionelle perser waren ohne irgendeine rechtsgrundlage in vorbeugehaft genommen worden. die autobahnen, auf denen sich der kaiserliche wagenkonvoi durch die republik bewegte, wurden fuer normalen autoverkehr gesperrt. der schah erlebte das vergnuegen, ueber eine voellig leere autobahn zu fahren - waehrend sich auf der gegenueberliegenden fahrbahn der verkehr bis zum stillstand staute.

zu einer ersten demonstration kam es am abend des 1. juni, als im anschluss an eine informationsveranstaltung zur situation in persien studierende vor die westberliner militaermission der cssr zogen, um gegen die freundliche aufnahme des schahs in prag zu demonstrieren. schon in der nacht vom 30. zum 31. mai hatten sds-mitglieder und der "confoederation iranischer studenten" (cis) ueberall in berlin plakate geklebt, die einen steckbrief des schahs mit der ueberschrift "mord" enthielt. der "neue" am abend des 1. juni 1967 tauchte im jugendclub "ca ira" in der muensterschen strasse in berlin ein neuer besucher auf, den niemand der jugendlichen dort kannte. der besucher war ein student, der erst vor kurzem von westdeutschland nach west-berlin umgesiedelt war. die jugendlichen, die mit ihm an der theke ein bier tranken, spuerten seine unerfahrenheit in den berliner verhaeltnissen und kamen mit ihm darueber in eine erregte unterhaltung. sie lachten ab und zu etwas hoehnisch, wenn der neue ihre erzaehlung ueber die zustaende in berlin und besonders das brutale vorgehen der polizei auf den demonstrationen der vergangenen monate rundheraus in einem brustton der ueberzeugung als ueberspitzt, ja hysterisch abtat. nein, so ist es ja wohl wirklich nicht, sagte er. doch, widersprachen sie ihm, genauso ist es, dass die knueppel schon seit letztem jahr immer locker sitzen, das haben wir schon fast alle auf unseren ruecken und koepfen zu spueren gekriegt. und wenn er ihnen nicht glaube, bitte schoen, morgen habe er gelegenheit, sich selbst davon zu ueberzeugen. wieso morgen? - weil morgen seine majestaet, der folterkaiser schah reza pahlevi, mit seiner illustriertenpuppe und ersatzsoraya persoenlich nach berlin kommt. ueber 5000 polizisten stehen zu seinem schutz bereit. mit drohendem unterton schreiben die zeitungen, die situation ist polizeilich voellig im griff. da wird es wieder rund gehen vor dem schoeneberger rathaus, oder abends, an der strecke vor der stadt. "gut", sagte der neue, "das werde ich mir morgen mit eigenen augen ansehen. schliesslich ist so eine demonstration ja rechtmaessig. was soll da schon passieren?"

 

"tun sie das ding weg, hier wird nicht geschlagen!"

die "bz" meldete in ihrer morgenausgabe am 2. juni: "'helft der polizei, die stoerer zu finden und auszuschalten!' diesen aufruf richtete gestern polizeipraesident erich duensing an die bevoelkerung... polizeipraesident duensing bezeichnete gestern die bekanntgewordenen plaene ueber stoeraktionen als wesentlich haerter und konkreter als bei dem besuch des amerikanischen vizepraesidenten humphrey." am morgen des 2. juni flog reza pahlevi nach berlin. schahtreue perser hatten die erlaubnis erhalten, ihren kaiser mit fahnen und jubelgeschrei auf dem flughafen zu begruessen. bei der ankunft des schahs wandte sich der senatsprotokollchef rauch voller sorge an den regierenden buergermeister albertz, um ihm eine sperrung des vorplatzes der oper, die der schah abends besuchen wollte, zu empfehlen. daraufhin kam es zu einer unterredung des regierenden buergermeisters mit dem polizeipraesidenten noch auf dem flugplatz. duensing berichtet: "... der regierende buergermeister, mit dem habe ich noch ein paar worte gesprochen: 'guten tag' und 'na, heisser tag', und 'wird schon werden', und 'haben sie sorgen?', 'jawohl, wir haben alle sorgen, wir sind froh, wenn er wieder weg ist.'" die polizei hat freie hand.

ein berliner journalist berichtet ueber die stimmung der verantwortlichen: "am mittag des 2. juni, kurz vor eintreffen des schahs am rathaus schoeneberg, unterhielt sich der leiter des presse- und informationsamtes des senats, peter herz, mit journalisten, die dort auf der freitreppe die ankunft der autokolonne erwarteten. herz befand sich angesichts der demonstranten in einer offenkundig gereizten stimmung. auf frotzeleien von journalisten, wie er sich wohl am heutigen 'tag der deutschen illustrierten' in berlin fuehle, reagierte er mit der wuetenden bemerkung: 'na heute koennen diese burschen sich ja auf etwas gefasst machen, heute gibt es dresche!'"

gegen 14.30 uhr fanden sich die majestaeten im schoeneberger rathaus ein, um von dort aus der berliner bevoelkerung zuzulaecheln. auf dem platz vor dem rathaus hatten sich etwa 3000 studenten zu einer demonstration versammelt, zurueckgehalten von rot-weiss-gestreiften eisengittern. walter siepmann, cdu-mitglied und mitglied des rates der stadt schwelm, berichtet: "ich stand unmittelbar hinter der absperrung und war zunaechst erstaunt, dass kurz vor der ankunft des gastes zwei autobusse vor dem rathaus vorfuhren, denen demonstranten mit schahfreundlichen plakaten und faehnchen entstiegen. auf die sprechchoere junger berliner antworteten diese leute vor der absperrung mit hochrufen auf den schah. ploetzlich sah ich zu meinem schrecken, dass einer der schahanhaenger mit einem totschlaeger, einer stahlspirale mit bleikugel, auf einen jungen mann eindrang, der neben mir stand und lediglich gerufen hat. ich stellte mich vor den bedrohten, vermutlich ein oppositioneller perser, und rief dem angreifer zu: 'tun sie das ding weg, hier wird nicht geschlagen!' daraufhin kamen noch weitere schlaeger, die mit holzlatten auf uns losschlagen wollten. ich waere verletzt worden, wenn nicht andere zuschauer mich zu meinem schutze zu boden gerissen haetten... die angreifer schlugen so heftig zu, dass ihre latten teilweise auf der barriere zersplitterten. sie versuchten sogar, einen jungen mann ueber die absperrung zu zerren, vermutlich ein student, roter pullover, was ihnen nicht gelang, da wir ihn zu mehreren festhielten. zu meinem erstaunen schaute die polizei, die hinter uns aufstellung genommen hatte, diesen angriffen gegen unbewaffnete minutenlang tatenlos zu." die schah-anhaenger, ueberwiegend agenten des iranischen geheimdienstes savak, waren mit langen holzlatten ausgeruestet. kaum regten sich aus der menge der demonstranten protestchoere, "schah, moerder", "mo-mo-mossadegh", die an vom schah gestuerzten regierungschef erinnern sollten, kaum flogen ein paar farbbeutel, zu kurz geworfen, um den schah zu treffen, da schlugen die "jubelperser" zu. mit ihren holzknueppeln pruegelten sie wahllos und hemmungslos auf die demonstranten ein. blut floss, studenten gingen zu boden. und die deutsche polizei sah teilnahmslos zu, machte keine anstalten, die knueppelei zu beenden. erst nach mehreren minuten griff die polizei ein - auf der seite der perser. berittene polizei wollte die "schlaegerei schlichten". sie tat dies, indem sie mit ihren peitschen auf die demonstranten einschlug, auch auf die, die hinter der absperrung standen. einige der demonstranten, die durch das handgemenge mit den schahfreunden vor die barrieren geraten waren, wurden verhaftet. die persischen schlaeger wurden weder festgenommen, noch wurden ihre personalien festgestellt. als der schah in sicht kam, jubelten sie erneut. das rote kreuz schenkte tee an sie aus.

 

"warum pruegelt ihr fuer den schah?"

am abend durften die jubelperser in zwei sonderbussen in der kolonne der ehrengaeste zur deutschen oper fahren, wo das kaiserpaar einer auffuehrung der oper "zauberfloete" von mozart lauschen sollte. wieder durften sich die zum teil mit pistolen und ausweisen des geheimdienstes ausgeruesteten jubelperser vor der absperrung formieren und sich spaeter an der jagd der polizei auf demonstranten beteiligen. gegenueber der deutschen oper an der bismarckstrasse befand sich ein baugelaende. sechs meter vor dem bauzaun errichtete die polizei eine etwa hundert meter lange barriere aus sogenannten "hamburger gittern", die nicht geoeffnet werden koennen, wenn sich hinter ihnen eine dicht gedraengte menschenmenge befindet. diesen langen, schmalen streifen hatte die polizei fuer die demonstranten vorgesehen. der von der polizei umstellte "schlauch" von sechs mal hundert metern war kaum zu betreten oder zu verlassen, wenn er einmal mit menschen gefuellt war. ab 18.30 uhr fuellte sich der von der polizei vorbereitete raum langsam mit menschen. dort, wo sie standen, waren sie am stoerendsten, und die polizei hatte so keine schwierigkeiten, die gekommenen zuschauer und demonstranten mit "stoerern" gleichzusetzen. die eintreffenden menschen unterhielten sich mit einiger erregung ueber die schlimmen vorfaelle vom mittag, dass sich die polizei nicht korrekt verhalten habe, dass sie nur gegen demonstranten vorgegangen sei. einige junge leute, die auf dem bauzaun sassen und sich in einigen der baeume niedergelassen hatten, wie es bei anderen besuchen ueblich war, als etwa kennedy die stadt besuchte, wurden von der polizei heruntergeholt. es wurde gleich mit dem gummiknueppel zugeschlagen. zunaechst wurde gesagt: "runter!" und dann wurde sofort zugeschlagen. einige leute hielten sich am bauzaun fest und hingen auf der entgegengesetzten seite, als noch von polizisten mit gummiknueppeln auf ihre haende geschlagen wurde. allmaehlich begann sich die stimmung gegen die polizei zu richten. aus der menge wurde auf die polizisten eingeredet: "sa! gestapo! warum macht ihr das, fuer den schah pruegeln? wenn ihr bescheid wuesstet ueber persien, wuerdet ihr dergleichen nicht tun! warum habt ihr das denn noetig, uns hier fuer den schah in einer freien stadt zu pruegeln?"

 

"nehmen wir die demonstranten als leberwurst"

um 19.56 uhr war es soweit. das kaiserpaar rollte im mercedes 600 vor das opernportal. auf der gegenueberliegenden strassenseite, gut 30 meter von den staatsgaesten entfernt, wurden unter den 3000 demonstranten wieder sprechchoere laut: "buh, buh", "schah, schah, scharlatan", "moerder, moerder". tomaten, farbbeutel und mehltueten zerplatzten auf der fahrbahn, weit weg vom kaiserlichen ziel. vereinzelt flogen steine. unversehrt erreichten schah und schahbanu die oper. der berliner polizeipraesident duensing und sein kommandeur der schutzpolizei, hans-ulrich werner, konnten ebenfalls die auffuehrung besuchen, und vorher noch den einsatzbefehl erteilen: "wenn die oper begonnen hat, raeumen sie die suedseite, und zwar von der mitte ab nach rechts, wo vorwiegend frauen und kinder stehen, kein wasserwerfereinsatz, das gibt 'ne panik... und links entsprechend der lage." auf einer pressekonferenz charakterisierte der polizeipraesident die taktik spaeter als "leberwurst-prinzip": "nehmen wir die demonstranten als leberwurst, dann muessen wir in die mitte hineinstechen, damit die an den enden auseinanderplatzt." die stunde der polizei begann. der schah war in der oper, fuer die demonstranten war die demonstration zu ende. langsam wollten die demonstranten abruecken, wollten sich auf die umliegenden kneipen verteilen und um 22.00 uhr nach schluss der mozart-auffuehrung zur verabschiedung des schahs neu versammeln.

ploetzlich fuhren krankenwagen des roten kreuzes auf, vierzehn insgesamt, mit einer "sondergenehmigung fuer den 2. und 3. juni". die polizeibeamten, die sich in einer reihe vor den demonstranten aufgebaut hatten, zogen die knueppel. einige schaulustige versuchten, ueber die absperrgitter zu entkommen, wurden aber zurueckgehalten. der student reinhard h. berichtet: "nachdem der schah das opernhaus betreten hatte, wandte sich der mir bekannte und neben mir stehende student peter h. an einen vor uns in der kette stehenden polizeibeamten und fragte ihn, ob wir die absperrung verlassen duerften. der polizeibeamte antwortete mit nein. auf eine weitere frage, warum wir bleiben muessten, antwortete der polizeibeamte sinngemaess: 'das wirst du gleich noch sehen.'" der zeuge bernd wittchen: "ich sah, wie ein polizeibeamter eine rauchbombe in die dichtgedraengte menge hinter die absperrung warf. da sie dicht vor mir niederfiel und die rauchentwicklung so stark war, dass mehrere personen zu husten anfingen, versuchte ich, sie zunaechst auszutreten. als mir das nicht gelang, warf ich sie ungezielt auf die strasse zurueck. ein polizist loeste sich aus der gruppe und rannte ueber die fahrbahn auf mich zu. er sprang ueber die absperrung und zog mich, unterstuetzt durch seine kollegen, ueber das gitter auf die strasse. ich leistete dabei keinen widerstand und versuchte nicht zu entkommen. etwa sechs meter hinter der absperrung wurde ich zu boden gerissen und bis auf die andere strassenseite geschleift, wobei man mit gummiknueppeln und faeusten auf mich einschlug." im gegensatz zu den demonstranten hatten die polizisten recht klare vorstellungen von dem, was jetzt kommen sollte. die journalistin monika nellissen berichtet: "neben mir auf dem mittelstreifen formierte sich in der zeit eine kette von polizisten... ein mann stand neben mir und fragte die polizisten: 'warum schlagt ihr denn nicht einfach rein, ihr seht doch, was hier passiert.' und da sagte ein polizist: 'wir warten ja nur auf das kommando.'"

 

der "harte kern"

um 20.04 uhr bildete der zum angriff bestimmte halbzug einen stosskeil, setzte 36 meter von der krummen strasse entfernt ueber die gitter hinweg und spaltet die dichtgedraengte menge in zwei haelften auf. ohne die gesetzlich vorgeschriebene lautsprecherwarnung pruegelten die beamten auf zuschauer und demonstranten ein. polizeichef duensing erhob sich zu ehren des kaiserpaares von seinem platz und lauschte der persischen nationalhymne; er wusste, was sich in diesen minuten vor der oper als aktion "fuechse jagen" abspielte. juergen b. berichtet: "ein ausweichen war unmoeglich, die situation war panikartig. einzelne demonstranten riefen: 'das ist doch absurd! die sind wohl verrueckt geworden!' und 'arme hoch! kopf schuetzen!'" instinktiv hatten sich die demonstranten, die an der einstiegsstelle des keils sich aufhielten, hingesetzt, um ihre gewaltlosigkeit zu demonstrieren. beate m. berichtet: "als ich begriff, dass die polizei ohne vorwarnung haerter einzugreifen begann, schrie ich mit anderen: 'hinsetzen!' etwa 75 demonstranten setzten sich mit viel muehe auf den boden, es war furchtbar eng. wir glaubten, die polizei vom pruegeln abhalten zu koennen, wenn wir passiven widerstand leisteten und unsere gewaltlosigkeit bewiesen."

erst um 20.05 uhr forderte der lautsprecherwagen b 53 die demonstranten auf, den suedlichen gehweg der bismarckstrasse zu raeumen, da sie sonst in den "bereich polizeilicher massnahmen" kaemen. die zeitangabe im merkbuch des lautsprecherwagens wurde, so stellte sich spaeter heraus, nachtraeglich in schoenschrift in die zeitliste eingefuegt. oberkommissar burck, der den ersten keil fuehrte, bezeichnete die sitzdemonstranten als den "harten kern". die polizisten kamen mit gezogenem knueppel ueber die strasse und drangen auf der ganzen front des "harten kerns" ueber die gitter. es wurde 20.07 uhr. 52 meter von der krummen strasse entfernt stiess ein keil bis zum bauzaun vor. der "harte kern" war eingekesselt. es setzte die brutalste knueppelei ein, die man bisher im nachkriegs-berlin erlebt hatte. der "harte kern" wurde von 80 polizisten gegen den bauzaun gedrueckt und zusammengeschlagen. oberkommissar burck nannte das spaeter so: "es war also unsere aufgabe, von anfang an, diesen langen schlauch, der dort ja vorhanden war, abzukaemmen." blutueberstroemt brachen viele demonstranten zusammen. eine junge hausfrau schlug unter den hieben lang auf die strasse, wurde von polizisten aus dem getuemmel getragen und fand ihr foto am naechsten tag in der zeitung wieder, versehen mit der unterzeile, tapfere polizisten haetten sie aus dem steinhagel "entmenschter" demonstranten gerettet. die krankenwagen fuellten sich in wenigen minuten. demonstranten rannten in panischer angst davon - soweit sie von der polizei nicht daran gehindert wurden.

 

"fuechse jagen"

es begann die aktion "fuechse jagen". polizeipraesident duensing war wieder zu seinen leuten zurueckgekehrt. polizeitrupps rueckten den fluechtenden demonstranten nach. georg a. berichtet: "ein maedchen hatte... versucht, ueber den bauzaun zu entkommen. das war ihr zunaechst auch gelungen, sie rannte schraeg in richtung krumme strasse ueber den platz hinter dem bauzaun. sie wurde verfolgt von drei polizisten, die mit knueppeln auf sie einschlugen." kriminalbeamte in zivil formierten sich zu greiftrupps und ueberwaeltigten vermeintliche "raedelsfuehrer". wieder mischten sich die jubelperser unter die beamten und griffen sich auf eigene faust demonstranten. sie reichten die festgenommenen, vor allem jene, die durch haar- und barttracht aufgefallen waren, an ihre uniformierten kollegen zur "behandlung" weiter. unter ihnen befand sich auch das mitglied der kommune 1, fritz teufel, der sechs monate wegen falscher polizeilicher anschuldigungen in untersuchungshaft verbringen sollte. "jungs, da werden unsere kollegen umgebracht" mit der raeumung der bismarckstrasse ist ein zwischenziel erreicht, die kraefte werden neu geordnet. die demonstranten fluechten sich auf ein wiesengrundstueck an der ecke krumme strasse/bismarckstrasse. jetzt wurden auch wasserwerfer eingesetzt.

im dunkel der nacht konnten die studenten kaum noch ausmachen, wer polizist, wer zivilbeamter und wer schah-agent war. einer der nichtuniformierten war der 39 jahre alte kriminalobermeister karl-heinz kurras aus der abteilung 1, politische polizei. zusammen mit seinen kollegen bildete er einen greiftrupp. gegen 20.30 uhr hielten sich die beamten in der naehe des grundstuecks krumme strasse 66/67 auf. auf der einen seite stand eine kette von polizisten, ihnen gegenueber ein letzter pulk von demonstranten. sie riefen "moerder" und "notstandsuebung". steine flogen in richtung der polizisten. joerg r. berichtet: "die sperrkette der polizei stand am abschluss des hauses, ich selbst zwischen dieser und der vorderen reihe demonstranten, und zwar auf der strasse. es loesten sich aus einer gruppe von kriminalbeamten, die auf der strasse stand, mindestens zwei mann und gingen schnellen schrittes auf den oestlichen buergersteig. die dort stehenden demonstranten wichen zu seite, der, auf den man es abgesehen hatte (hartmut r.) wohl nach hinten zurueck in die menge. so stiessen die kriminalbeamten mitten in die menge in richtung auf das freigeschoss, vielleicht weil dort noch ein freier raum war, in den die demonstranten zurueckweichen konnten." einige demonstranten draengten hinter den beiden beamten der politischen polizei in den garagenhof, zum teil wohl, um hartmut r. zu hilfe zu kommen, zum teil aus neugier, zum teil, um vor den vorrueckenden wasserwerfern schutz zu finden. fuer die beamten auf der strasse ist klar: ihre kollegen sind in einen hinterhalt geraten.

die zeugin erika s. berichtet: "neben mir sagte ein polizist in der absperrkette: 'jungs, da werden unsere kollegen umgebracht.' daraufhin sprangen ca. zehn bis zwoelf beamten teils ueber die bruestung, teils liefen sie durch die einfahrt." im hof entstand eine panikartige situation. die beamten stuermten mit erhobenen knueppeln den hof, alle demonstranten versuchten herauszukommen. als sie aus dem gewoelbe hervorkamen, erwartete sie bereits der wasserwerfer. keiner der fluechtenden demonstranten konnte sich vorstellen, dass die polizei in dieser situation von der schusswaffe gebrauch machen wuerde. einigen demonstranten gelang es nicht mehr, den hof zu verlassen, da die polizisten ihnen den weg abschnitten. spaetestens zu diesem zeitpunkt wurde den beamten klar, dass es keinen "hinterhalt" gab. diejenigen, die den parkhof nicht mehr verlassen konnten, wurden zusammengeschlagen. die demonstranten sassen in der falle. goetz f. erlitt eine stark blutende platzwunde am kopf und wurde von zwei polizisten solange verpruegelt, bis ein polizeioffizier von der strassenseite sagte: "nun hoert doch endlich auf." er wurde ins krankenhaus gefahren. hans-ulrich l. erlitt eine gehirnerschuetterung und wurde in das krankenhaus jungfernheide gebracht. jutta b. wurde im krankenhaus moabit trotz schwerer verletzungen zunaechst abgewiesen, weil sie aus angst vor der polizei ihren namen nicht nennen wollte. sie lag 12 tage lag im albrecht-achilles-krankenhaus mit einer gehirnerschuetterung, einer nierenprellung, einer kopfplatzwunde sowie prellungen und bluterguessen am koerper.

 

ein "raedelsfuehrer" wird erkannt

einer der beamten meinte, einen "raedelsfuehrer" zu sehen: er trug einen schnurrbart, ein rotes hemd und sandalen ohne socken. die zeugin erika s. berichtet: "der mann im roten hemd stand mit dem gesicht richtung krumme strasse im garagenhof des hauses krumme str. 67 hinter einem volkswagen... er versuchte offensichtlich, die strasse zu erreichen. zwei uniformierte beamte rechts und links in hoehe der hinteren sitzreihe des vw versuchten ihn daran zu hindern... von hinten tauchte ploetzlich ein uniformierter beamter auf und schlug dem mann im roten hemd mit dem schlagstock von hinten auf den kopf. der getroffene sank langsam in sich zusammen, und nun kamen die beiden polizisten, die erst rechts und links des vw's gestanden hatten, hinzu und zu dritt schlugen sie auf ihn ein... ein polizist trat auf die rechte hand und den arm und beide polizisten rechts und links in die beckengegend des liegenden."

in diesem augenblick war auch karl-heinz kurras von hinten zur stelle, in der hand eine entsicherte pistole vom kaliber 7,65 millimeter. die muendung war kaum einen halben meter vom kopf des demonstranten entfernt, so erschien es jedenfalls den augenzeugen. ploetzlich schoss er. die kugel traf ueber dem rechten ohr, drang in das gehirn und zertruemmerte die schaedeldecke. erika s. weiter: "ich lief zu dem am boden liegenden jungen mann und bueckte mich links von ihm zu ihm herunter. als ich zu den beamten hochblickte, sah ich, dass sie immer noch ihre schlagstoecke in der hand hatten und bat sie leise: 'nicht schlagen, bitte holen sie die ambulanz.' der polizist, der links neben dem mann im roten hemd gestanden hatte, bewegte sich langsam in richtung strasse... ich suchte nach einer wunde und sah, dass eine platzwunde bis zum rechten ohr vorhanden war, aus dem ohr kam blut. ich fuehlte seinen puls, er ging schwach, ich oeffnete ein auge und sah keine pupille. daraus schloss ich 'schaedelbruch'. seine lippen bewegten sich und ich nahm an, er wolle etwas sagen. ich beugte mich herunter, konnte aber nur ein roecheln vernehmen..." benno ohnesorg wurde in das staedtische krankenhaus moabit gebracht, die wunde zugenaeht und als todesursache zunaechst schaedelbruch diagnostiziert. der versuch der stadtregierung, den schah-protest polizeilich-militaerisch zu loesen, hatte ein menschenleben gefordert.

 

"meldung erstatten, wie die vorschrift lautet"

waehrenddessen ist polizeipraesident duensing mit der taktischen situation zufrieden und erhaelt kenntnis von der schussabgabe: "einer meiner beamten rief mir zu: 'nehmen sie volle deckung, die werfen immer noch'. ich bin dann nach vorne gegangen zu dem moment, der so symptomatisch ist: alles japst noch ein bisschen nach luft, und nun sagt der einsatzfuehrer: 'was werden wir nun tun?' man stand also vor der kreuzung schillerstrasse/krumme strasse. ich habe gesagt: 'was wollen sie machen?' 'ja', sagt er, 'ich haette gern die kreuzung noch in besitz genommen'. da standen etwa 250 bis 300 demonstranten... ich habe gesagt: 'ich billige ihren entschluss, dass sie hier stehen bleiben, scheiden sie reserven aus! was gab es sonst?' da sagt er: 'ein beamter der kriminalpolizei hat warnschuesse abgegeben.' 'wo ist er?' 'da steht er.' da habe ich den obermeister kurras, der mir vorher nicht bekannt war,... gesehen... ich habe gesagt: 'vom dienst abtreten, meldung erstatten, wie die vorschrift lautet.'" kriminalobermeister kurras, gerade noch einem "hinterhalt" glimpflich entkommen, stand noch unter schockwirkung. ein blick genuegte, um zu erkennen, was los ist. es schien ueberfluessig zu sein, nachforschungen anzustellen, wer getroffen worden sein koennte. doch bereits zu dieser zeit wusste die polizei, dass kurras auf ohnesorg geschossen hatte. ein polizeibeamter unterrichtete den abgeordneten loeffler, der vor dem grundstueck in der krummen strasse steht. der beamte erklaerte, er habe dem schuetzen vorhaltungen ueber den schusswaffengebrauch gemacht, da ohnesorg bereits durch drei beamte fest im griff gehalten worden sei und zum anderen der schuetze die anwesenden polizisten gefaehrdet habe. trotzdem erfuhr die oeffentlichkeit erst nach der obduktion am vormittag des 3. juni, dass ohnesorg nicht erschlagen, sondern erschossen wurde.

 

"ein polizist wurde getoetet"

die fliehenden demonstranten wurden von der polizei noch ueber eine strecke von ca. drei kilometern mit knueppeleinsatz verfolgt und gejagt. der hauptzug der fliehenden bewegte sich von der krummen strasse ueber die schillerstrasse in die wilmersdorfer strasse und von dort zum kurfuerstendamm. hier wurden die fliehenden wieder eingeholt und den boulevard entlanggetrieben. der zeuge hartmut v. l. schildert seine flucht: "die polizisten hatten es darauf angelegt, die letzten, die es nicht mehr rechtzeitig schaffen konnten, zu erwischen. es ging durch die wilmersdorfer strasse den kurfuerstendamm hinauf. beide fahrbahnen wurden blockiert, der verkehr floss nicht mehr. von dort an hetzten wieder polizisten mit knueppeln den ku'damm hinauf. an der ecke uhlandstrasse fluechtete ich in eine wuerstchenbude und hoerte dort aus einem aufgefahrenen lautsprecherwagen, dass ein polizist durch messerstiche getoetet worden sei." immer wieder wurden die demonstranten von den polizisten ueberholt, so dass sie dort, wohin sie vor den knueppelschlaegen entkommen wollten, von neuen polizeikraeften erwartet wurden.

die polizei versuchte mit mannschaftswagen in schneller fahrt, von der seite in die groessere menschenmenge, die offensichtlich in panischer flucht war, ohne ersichtlichen grund einzuschlagen. die demonstranten wurden vereinzelt und in die nebenstrassen des ku'damms gepruegelt. michael g. berichtet aus der joachimsthaler strasse: "... ploetzlich (stuerzte) eine truppe von 10-20 polizisten auf die in den hinteren reihen stehenden demonstranten, trennte ca. 10-20 personen ab und jagte sie die joachimsthaler strasse entlang... die jugendlichen rannten wie um ihr leben... ich lief der marschierenden truppe hinterher und bat einen... polizeibeamten hoeflich um seine karte. er griff zum gummiknueppel und antwortete: 'komm her, du studentenschwein, du kannst noch eins in die fresse haben, wenn du noch nicht genug hast.'" die polizei leistete ganze arbeit. als der schah um 23.30 uhr das hilton-hotel erreicht, wird er von 50 bis 60 demonstranten empfangen. das ist der rest von den rund 3000 demonstranten zu beginn des abends. mit ihnen haben die beamten keine grosse muehe mehr.

 

der nicht erklaerte notstand

von da an uebernehmen politiker und presse den fall. der regierende buergermeister von berlin, pastor heinrich albertz (spd), erklaerte noch in der nacht zum 3. juni: "die geduld der stadt ist am ende. einige dutzend demonstranten, unter ihnen auch studenten, haben sich das traurige verdienst erworben, nicht nur einen gast der bundesrepublik deutschland in der deutschen hauptstadt beschimpft und beleidigt zu haben, sondern auf ihr konto gehen auch ein toter und zahlreiche verletzte, polizeibeamte und demonstranten. die polizei, durch rowdies provoziert, war gezwungen, scharf vorzugehen und von ihren schlagstoecken gebrauch zu machen. ich sage ausdruecklich und mit nachdruck, dass ich das verhalten der polizei billige und dass ich mich durch eigenen augenschein davon ueberzeugt habe, dass sich die polizei bis an die grenze des zumutbaren zurueckgehalten hat." in den zeitungen stand am naechsten morgen nichts von den vorgaengen im parkhof der krummen strasse 66/67. die presse stellte sich ohne genaue kenntnis der vorgaenge auf die seite der staatsgewalt. "ein junger mann ist gestern in berlin gestorben. er wurde opfer von krawallen, die politisch halbstarke inszenierten. gestern haben krawallmacher zugeschlagen, die sich fuer demonstranten halten. ihnen genuegt der krawall nicht mehr. sie muessen blut sehen. sie schwenken die rote fahne, und sie meinen die rote fahne. hier hoeren der spass und der kompromiss und die demokratische toleranz auf. wir haben etwas gegen sa-methoden. die deutschen wollen keine rote und keine braune sa. sie wollen keine schlaegerkolonnen, sondern frieden." (bild-zeitung berlin, 3. juni 1967). "die anstaendigen in dieser stadt aber sind jene massen der berliner, die berlin aufgebaut und berlins wirtschaft angekurbelt haben. ihnen gehoert die stadt, ihnen ganz allein... wer terror produziert, muss haerte in kauf nehmen." "dennoch war das keine politische demonstration. es war das werk eines mobs. ihm ging es nicht mehr um die politische aussage in irgendeiner form. ihm ging es nur um krawall, um unruhe, um terror... frauen, die gekommen waren, um den schah zu sehen, brachen von steinen getroffen blutend auf dem mittelstreifen der bismarckstrasse zusammen. polizisten wurden schwerverletzt abtransportiert. und auch die demonstranten kamen nicht ungeschoren davon." ("bz", 3. juni 1967). den beweis fuer einen einzigen schwerverletzten polizeibeamten ist die bz bis heute schuldig geblieben. der auf der titelseite abgebildete beamte heilscher wurde noch am gleichen abend aus dem krankenhaus entlassen. eine pogromartige stimmung wurde vor allem von der berlin beherrschenden springer-presse geschuert: "studenten drohen: wir schiessen zurueck." als einzige zeitung brachte die berliner morgenpost einen satz ueber den schusswaffengebrauch: "ein kriminalbeamter feuerte im wirren tumult und in dem unuebersehbaren handgemenge einen warnschuss ab."

"dass das klar ist, herr dutschke"

am morgen des 3. juni brachte der regierende buergermeister heinrich albertz den schah zum flughafen. albertz fragte, ob der schah von dem toten gehoert habe. ja, entgegnete dieser, das solle ihn nicht beeindrucken, das geschehe im iran jeden tag. es wagten sich nur wenige hunderte auf die strasse, unter ihnen rudi dutschke. um 10 uhr eilten hunderte auf den campus der freien universitaet. dort, auf einem parkplatz, war es auf einer versammlung auffaellig still. einige sprecher machten ueber megaphon aktionsvorschlaege. "wer stimmt fuer den antrag, dass die versammelten umgehend zu einem protestmarsch zum schoeneberger rathaus aufbrechen?" geraeuschlos und beinahe synchron gingen die arme hoch. kein streit, kein jubel, nach ein paar minuten, gegen 11.30 uhr, brachen rund 500 studierende auf. ein paar hundert meter weiter auf der breiten allee versperrten spanische reiter der polizei den weg. fuenf einsatzkommandos der polizei, rund 100 beamte und ein wasserwerfer, draengten den demonstrationszug in eine nebenstrasse ab, und riegelten die strasse zu beiden seiten ab. die eingeschlossenen schickten rudi dutschke zum einsatzleiter der polizei. "freien abzug gibt es nur, herr dutschke, wenn die nicht genehmigte demonstration aufgeloest wird. dass das klar ist, herr dutschke." nach einer halben stunde beratung beschlossen die demonstranten, sich aufzuloesen und in kleinen gruppen zu gehen.

demonstrationsverbot, disziplinarordnung und schnellgerichte

zur selben zeit versammelten sich der regierende buergermeister, seine senatoren, die fraktionsvorsitzenden der im abgeordnetenhaus vertretenen parteien und die rektoren der hochschulen im senat. anschliessend erlaeuterte der regierende buergermeister die beschlossenen massnahmen in einer rundfunkansprache an die bevoelkerung: "sicherheit und ordnung muessen in dieser stadt gewaehrleistet bleiben. aus diesem grund hat sich der senat veranlasst gesehen, bis auf weiteres jede oeffentliche demonstration zu untersagen. wer sich dieser anordnung widersetzt, wird auf den energischen einsatz der polizei stossen und ohne ansehen der person strafrechtlich verfolgt werden. was die universitaeten betrifft, hat der senat den rektoren die zusicherung gegeben, dass er sie bei der anwendung ihres hausrechts mit allen mitteln, bis hin zum einsatz der polizei, unterstuetzen wird. die rektoren der universitaeten haben zugesagt, dass gegen alle an den ausschreitungen beteiligten studenten disziplinarverfahren eingeleitet werden. ausserdem wird der senator fuer wissenschaft und kunst dem senat ein universitaetsgesetz zur beschleunigten verabschiedung vorlegen. dabei wird den fragen der disziplinarordnung besondere beachtung geschenkt werden. zur zuegigen strafrechtlichen verfolgung und aburteilung der an den ausschreitungen beteiligten, insbesondere ihrer raedelsfuehrer, wird die staatsanwaltschaft auf vorschlag des senators fuer justiz die vorgaenge sofort von der polizei uebernehmen und bearbeiten. dabei soll insbesondere auch der vorfall, der zum tode des studenten benno ohnesorg gefuehrt hat, unverzueglich aufgeklaert werden. darueberhinaus hat der senator fuer justiz zugesagt, die in unserer rechtsordnung vorgesehene moeglichkeit zu nutzen, um die kriminalitaet nachhaltig bekaempfen zu koennen, mit der sicherheit und ordnung in unserer stadt untergraben werden sollen. dazu gehoert auch die einrichtung von schnellgerichten." entmutigt und zornig vom missglueckten zug zum schoeneberger rathaus versammelten sich die studenten auf den wiesen zwischen den verschlossenen hoersaelen. in der warmen luft sassen sie mit aufgekrempelten aermeln da und lauschten schweigend den durch die megaphone gejaulten schlechten nachrichten. senat hat demonstrationsverbot verhaengt. rektor verfuegt schliessung der universitaet. der regierende steht voll hinter dem vorgehen der polizei. polizeigewerkschaft fordert endlich ende der "weichen welle" gegen demonstranten. gegen 15 uhr glichen die strassen rund um das schoeneberger rathaus einem heerlager. ein starkes polizeiaufgebot riegelte den kennedy-platz ab, die etwa 600 trauernden studierenden mit schwarzen fahnen und armbinden wurden abgedraengt und selbst einzelpersonen des platzes verwiesen und verhaftet.

"albertz abtreten"

am nachmittag tauchte die polizei auf dem gelaende der fu auf. die beamten der einsatzleitung sondierten das von "stoerern" besetzte gelaende. eine nichtangemeldete, nach geltendem hausrecht verbotene versammlung auf dem boden der freien universitaet. die ermaechtigung ihrer magnifizenz zur aufloesung lag vor. bevor die polizisten zur raeumung uebergehen konnten, sperrte dekan wetzel die tueren der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen fakultaet auf. wie ein sog stroemten die studierenden in das gebaeude, stuermten durch die gaenge und versammelten sich in einem grossen hoersaal. bis zum 8. juni wurde die universitaet zum hauptquartier der studentischen aktionen. vollversammlungen setzten komitees und arbeitsgruppen ein. delegationen machten sich auf den weg, journalisten, prominente und professoren kamen. ihre anwesenheit war der beweis fuer ihre solidaritaet mit den studierenden, die von der oeffentlichkeit wie vogelfreie behandelt wurden. was der senat hatte verhindern wollen, geschah: unueberhoerbar fuer die oeffentlichkeit machten die demonstranten ihre massive kritik an senat und polizei deutlich. in einer einmuetig angenommenen resolution forderten sie u.a. den ruecktritt des regierenden buergermeisters, des innensenators und des polizeipraesidenten sowie eine "entfaschisierung" der berliner polizei. eine gruppe von acht studentinnen und studenten unternahm auf dem kurfuerstendamm eine illegale protestaktion. peter homann, der in hamburg kunst studiert hatte und 1962 nach berlin gezogen war, hatte eine idee, wie das verbot, transparente zu zeigen, unterlaufen werden konnte. es wurden grossbuchstaben auf weisse t-shirts gemalt. jeder trug auf seinem hemd einen buchstaben. nebeneinander stehend ergab dies den namen des regierenden buergermeisters a-l-b-e-r-t-z. auf dem ruecken trugen sie die buchstaben a-b-t-r-e-t-e-n. auf ein signal hin drehten sie sich um die eigene achse. am abend wurde die aktion bundesweit im fernsehen gezeigt: "albertz abtreten!" fotos erschienen in den tageszeitungen. die acht demonstranten wurden verhaftet.

"sie stehen nicht allein"

"wer waere nicht betroffen davon, dass die krawallgier einiger radikaler halbstarker eine situation heraufbeschworen hat, in deren hysterie das unglueck geschah... die polizei tat ihre schwere pflicht. der unglueckliche schuss, der ohnesorg toetete, wurde nach menschlichem ermessen in notwehr abgegeben... einen augenblick lang neigte man zu der annahme, das blutvergiessen vor der deutschen oper wuerde bei unseren krawallbruedern so etwas wie den schlag des eigenen gewissens vernehmbar machen. weit gefehlt! auf flugblaettern wurden der regierende buergermeister albertz und innensenator buesch als moerder und als verantwortliche fuer vorbereitete verbrechen bezeichnet. das mass ist nun voll. die geduld der berliner bevoelkerung ist erschoepft. wir sind es endgueltig leid, uns von einer halberwachsenen minderheit, die noch meist gastrecht bei uns geniesst, terrorisieren zu lassen. man wuenschte sich fuer heinrich albertz und die tragenden kraefte berlins, dass sie diesmal hart und konsequent bleiben. sie stehen nicht allein. die raedelsfuehrer der gewalttaetigen unternehmungen gegen den schahbesuch haben sich des strafrechtlichen tatbestandes der zusammenrottung zu aufruehrerischen aktionen und des landfriedensbruchs schuldig gemacht. an der art und weise der verfolgung dieser kriminellen vergehen werden wir erkennen, wie ernst es der senat mit seinen gestrigen beschluessen meint." (leitartikel der berliner morgenpost, 4.6.1967)

"ein fehlentwickler"

in zahlreichen staedten in der gesamten bundesrepublik fanden in den tagen nach dem 2. juni schweigemaersche, trauerkundgebungen und protestdemonstrationen statt, an denen sich ueber 100.000 studierende beteiligten. zehntausende, nicht nur studierende und schueler, waren entsetzt und tief irritiert ueber das versagen demokratischer institutionen, ueber den, wie es juergen habermas ausdrueckte, "offenen polizeiterror und ein stadtoberhaupt, das dieser polizei noch dankte, nachdem der student ohnesorg erschossen worden war." in hamburg kam es am 3. juni anlaesslich des dortigen schah-besuchs erneut zu schweren auseinandersetzungen mit der polizei. der nicht gerade links stehende vds verurteilte in einer gemeinsamen erklaerung zusammen mit den asten in bonn, frankfurt, giessen, heidelberg, mainz, marburg, muenchen, tuebingen und west-berlin sowie den studierendenverbaenden sds, shb, esg, hus und dem world university service das vorgehen der polizei. nach abschluss eines schweigemarsches sagte der marburger asta-vorsitzende christoph ehmann: "wie der spanienfeldzug hitlers zur erprobung seiner waffen, so diente der schah-besuch zahlreichen machtausuebenden staatsorganen der erprobung ihrer notstandmassnahmen." schuechtern boten die berliner studierenden in den folgenden tagen auf dem ku'damm ihre flugblaetter an. nur nichts riskieren, keine provokationen, keine transparente, keine ansammlungen. "hier spricht der studentische ordnungsdienst. wir bitten die einzelnen diskussionsgruppen, nicht zu sehr anzuschwellen, da sich bereits das als provokation herausstellen koennte. bitte, lassen sie platz fuer die bevoelkerung. ausserdem bitten wir sie, rational zu diskutieren. danke sehr", so eine megaphonstimme. nie zuvor hatte es das gegeben, dass studierende in ein paar tagen muehelos ueber 300.000 flugblaetter an die berlinerinnen losschlagen konnten. der asta der fu berlin erhielt ueber 500 briefe, die tageszeitungen erhielten viele zuschriften aus der bevoelkerung. viele dieser briefe waren mit vollem namen gekennzeichnet, die meisten blieben anonym. die reaktionen zeigten des volkes stimme:

"was vor der deutschen oper passiert ist, war offener aufstand, aufruhr, rebellion gegen jede ordnung und sicherheit." (an asta fu, 6.6.67) "demonstrationen sollte es nur dann geben, wenn alle zusammen es wollen." (an asta fu, 8.6.67) "darum fordern wir: schluss mit den vielen demonstrationen, soweit die demonstrationen nicht von der ganzen bevoelkerung getragen werden..." (an asta fu, 20.6.67) "wollt ihr schon protestieren, dann tuts doch stumm!" (rias-rueckblende nr. 152) "was jetzt jetzt not tut in berlin, ist nicht, dass der senat demonstrationen verbietet, sondern dass sich studentische demonstrationen fuer eine weile von selbst verbieten... so lange, bis die jungen leute begriffen haben, dass politische demonstrationen das duemmste und vergeblichste mittel politischer betaetigung sind." (faz, 5.6.67) "es waere an der zeit, dass sich mal die mehrzahl der arbeitenden bevoelkerung aufraffen wuerde, um gegen die randalierenden studenten vorzugehen. dann wollen wir mal sehen, wer den kuerzeren zieht..." (an esg fu) "bei meinen kollegen und verwandten liegen ab sofort hundepeitschen und weichmacher bereit. sollte sich ein rowdy von ihrer sorte nochmals an unsere tuer wagen, dann machen wir mus aus euch mistbande. die polizei war naemlich viel zu anstaendig zu euch. wir haetten gleich mit der mg dazwischen gehalten, damit euch halunken ein fuer allemal die lust am radau vergangen waer, denn euer platz ist die schulbank. wir gehen ohne waffe nicht mehr aus." (an asta fu, 13.6.67) "mir graust, wenn ich daran denke, dass dieser poebel spaeter mal die fuehrerschicht in unserem vaterlande stellen soll. die polizei ist noch viel zu human vorgegangen... unsere regierung soll sich begraben lassen. hier fehlt ein innenminister wie hermann goering, der mit den ganoven aus dem scheunenviertel damals spielend fertig wurde." (an asta fu, 14.6.67) "zusammenschlagen und dann fuer ein jahr in ein arbeitslager. hoffentlich werden sich unsere zu humanen behoerden recht bald einmal dazu entschliessen. dann wird es in deutschland auch wieder besser." (an asta fu, 8.6.67) "ungeziefer muss man mit benzin begiessen und anzuenden! tod der roten studentenpest! die rote studentenpest soll doch ruebergehen! da koennen sie randalieren, protestieren, demonstrieren mit ihren roten gesinnungslumpen zusammen. wir wollen sie nicht sehen, sondern rauswerfen! am besten in die spree reinwerfen. ersaeufen!" (an esg fu) "euthanasie fuer studentische politische selbstmoerderische idioten gibt es ja nicht bei uns!" (an asta fu, 5.6.67) "nur ein student erschossen, das ist viel zu wenig. durch den ofen jagen, das ganze pack!" (ermittlungsausschussbericht) "wir hatten schon einmal in diesem jahrhundert in berlin derartige krawalle, auch damals waren studenten dabei, sie nannten sich seiner zeit 'sa'. auch sie hatten ihren ohnesorg, nur hiess er damals 'horst wessel', und auch von ihm war nicht viel gutes zu berichten." (an asta fu, 6.6.67) "am fernseher haben wir uns dieser radikalen und moeglicherweise von kommunisten gelenkten brueller geschaemt. sie wirkten genau wie die hj-jungens, die seinerzeit die juedischen geschaefte einschlugen und pluenderten." (an asta fu, 8.6.67) "wer aber ist im dritten reich fuer die vielen todesurteile verantwortlich und fuer die versuche an juden? das waren alles ehemalige studenten." (an esg fu) "als die juden hier im eigenen land vergast wurden, da waren die studenten still. jetzt, wo es weit weg ist, verletzt ihr die eigenen buerger." (an asta kiho und esg) "ihr kaempft an falscher front. auf nach israel! da koennt ihr fuer die menschenwuerde deutschlands etwas tun." (an asta fu, 8.6.67) "zeigt was ihr koennt an der mauer! wenn die grepos euch wie hasen abschiessen, habt ihr, was ihr braucht, und wir haben wieder achtung vor euch. aber ihr tut ja nicht einmal was fuer israel." (an asta fu, 8.6.67) "wer aktiv fuer gerechtigkeit und freiheit eintreten will, in israel bietet sich eine echte bewaehrungschance. es ist mir nicht bekannt, dass sich jemand von der fu freiwillig gemeldet haette." (an asta fu, 5.6.67) "besonders 'lehrreich' war ihre bemerkung, dass sie auf die zeit nach 1933 hinweisen, die nach ihrer meinung entstanden ist, weil man sich nicht genuegend durch demonstrationen dagegen gewehrt hat. wir aelteren haben leider erlebt, dass die zustaende erst dadurch so auf die spitze getrieben wurden, weil die linksradikalen staendig randaliert haben. das ging schon nach dem zusammenbruch 1918 damit los und nahm kein ende, sodass sich eine ruhige entwicklung ueberhaupt nur schwer anbahnen konnte... schuld an der entwicklung hat aber auch der schwache senat, der immer nur beschwichtigt und nicht durchgreift, weil wir an der spitze eben keinen mann sondern einen pfeifenheini haben. aber hier brauchen wir einen, der die energie eines adolf hitler mitbringen muss, um sich durchsetzen zu koennen. nun werden sie sagen - aha, der schreiber ist ein rechtsradikaler oder ein alter nazi. ganz das gegenteil ist der fall, denn der schreiber ist einer der wenigen, die sich nicht von den nazis einfangen liessen und dafuer auch zweimal gratis zur prinz-albrecht-str. gefahren wurde." (an asta fu, 8.6.67) "kommunisten und studenten, ist ja doch alles eines." "wenn ich das schon hoere - asta der fu - wird doch alles von den kommunisten gelenkt." (ermittlungsausschussbericht) "bevor die universitaet nicht von den kommunisten gesaeubert ist, gibt es keine ruhe und sicherheit in dieser stadt." (an asta fu) "sie leben in einer demokratie und denken kommunistisch... und wenn professoren sie dazu angehalten haben, dann seien sie nicht feige und geben diese mit namen und anschrift allen berliner buergern bekannt." (an asta fu) "mit dem maschinengewehr sollte man sie alle umlegen. einen nach dem anderen. anders wird man mit kommunisten und sozis nicht fertig. ich habe weimar erlebt. die freikorps haben es richtig gemacht." (ermittlungsausschussbericht, 25.7.67) "wenn wir ulbricht vielleicht auch nicht kriegen, euch kriegen wir aber!" (ermittlungsausschussbericht) "kommunistenhure! ich komme gerade von der schicht und du schwein hast nichts anderes vor, als eure flugblaetter zu verteilen. wenn ich schon 'studenten' hoere, sehe ich rot und alle ehrlichen arbeiter auch. hau bloss ab!" (ermittlungsausschussbericht) "jeder student kostet den steuerzahler 2000-3000 dm. fuer unser geld wollen wir aber auch etwas sehen! nicht z.b. wollen wir es haben, dass, waehrend andere fuer sie arbeiten, sie umzuege veranstalten oder 'diskutieren'. wann arbeiten sie und ihre lehrer eigentlich? gehoeren flugblaetter drucken und versammlungen in der fordhalle auch zum studium? mein sohn, der auch ein gymnasium besucht, fragt uns immer, wo sie nur die viele freizeit hernehmen?... nur unser geld und die freiheit, das gefaellt ihnen." (an asta fu, 14.6.67) "ich bin arbeiter. auf grund dessen trage ich dazu bei, dass sie studieren koennen! bitte tun sie das! aber weiter auch nichts... wie soll die demokratie aussehen, wenn sie dank ihres studiums in leitenden stellungen der regierung sitzen? dann muessen wir als arbeiter immer noch bezahlen! uns bleibt dann nichts weiter als zu sagen - immer dieselben!" (an asta fu, 7.6.67) "wir koennen auch nicht demonstrieren, weil wir arbeiten muessen. wir schaemen uns fuer diese studenten, die scheinbar nichts im sinn haben als saufen, weiber und demonstrationen." (an asta fu, 8.6.67) "wir wollen ruhe und ordnung in berlin, das immer noch von den kommunisten belagert wird. ulbricht wartet ja nur, dass hier was passiert. die studenten gehen dann nach westdeutschland zurueck, und wir muessen ausbaden, was diese provokateure angerichtet haben." (an asta fu, 12.6.67) "ich bin arbeiter, aber niemals kommunist. deutschland war immer ein anstaendiges und ruhiges land. bis 1945 gab es auch studenten, aber man hat niemals von einem studentenaufruhr gehoert." (an asta fu, 6.6.67) "wir buerger wollen ruhe und ordnung haben, die uns nur die polizei und der senat garantieren koennen." (an asta fu, 13.6.67) "die oeffentlichen steuergelder in form von stipendien und zuschuessen sowie verguenstigungen aller art werden heute den studenten grosszuegig zur verfuegung gestellt, damit sie sich nicht nur ein wissen fuer ihre zukuenftige existenz erwerben, sondern auch zu verantwortungsbewussten mitbuergern mit pflicht-, ehr-, und anstandsgefuehl herausgebildet werden sollen, kurz, dass aus geltungsbeduerftigen triebmenschen 'der mensch' werde, der die ordnung als alleinige schoepferin und bewahrerin aller werte erkennt und anerkennt... ein altes sprichwort sagt: wessen brot ich esse, dessen lied ich singe. es zeugt also auch nicht von einem noblen charakter, wenn man mit einer hand einkassiert und mit der anderen gleichzeitig auf den spender einpruegelt oder die kostbare lernzeit mit dingen vergeudet, die dem studium keineswegs foerderlich sind..." (an asta fu, 5.6.67) "sie sollten sich lieber auf den hosenboden setzen und lernen, statt gegen einen gast zu demonstrieren, schliesslich sind alle staatsmaenner moerder, ob sie einen westlichen oder oestlichen staatsmann nehmen, auch kaiser und koenige. ihnen fehlt nur der gummiknueppel und der wasserwerfer, damit sie zur besinnung kommen." (an asta fu, 9.6.67) "lassen sie uns in ruhe mit ihren demonstrationen und protesten. was sie sagen wollen, wissen wir selber, gerade hier in deutschland. wer die macht hat, hat auch recht. das war bei den nazis so, bei den kommunisten und auch jetzt bei den amerikanern. deswegen werden sie nie recht haben und wenn sie noch so viel auf die strasse rennen... am besten waere vielleicht doch eine diktatur, dann waere so ein studentenaufstand, der nichts wert ist, gar nicht erst moeglich... die politiker sind korrupte verbrecher und die studenten dumme jungs. da hilft nur eins: selbst fuer ordnung sorgen!" (an asta fu, 9.6.67) "meine herren demonstranten, weshalb fuehlen sie sich gerade verpflichtet, sozusagen als 'weltverbesserer' aufzutreten? wissen sie, was ihnen fehlt? das erleben, was uns ungewollt lange jahre hindurch praesentiert wurde: den kampf ums dasein!" (leserbrief an die schleswiger nachrichten, 24.6.67) "man muss sich schaemen, ein deutscher zu sein. die primitivsten anstandsregeln gelten nicht mehr. die studenten haben mit ihrem unwuerdigen benehmen gegen einen gast ihres staates dem ansehen deutschlands schweren schaden zugefuegt." (an asta fu, 14.6.67) "wenn die fuehrenden asta-vertreter mit dem schahehepaar gemeinsam die mozartoper 'die zauberfloete' besucht und psychisch-geistig durchlebt haetten, staende es um die universitaeten deutschlands besser." (an asta fu, 4.6.67) "frueher hatte man achtung vor studenten. die gebildeten nannten strassendemonstranten poebel. diesen namen haben nun die studenten uebernommen." (an asta fu, 5.6.67) "wir einfachen menschen haben frueher immer unter einem menschen, der die moeglichkeit zum studieren hat, etwas auserwaehltes gesehen und als elite der nation betrachtet. diese auffassung hat aber in letzter zeit derartig gelitten, dass ich studenten heute von einer ganz entgegengesetzten seite betrachte. abgesehen von den wenigen anstaendigen elementen, die sich an diesen ausschreitungen nicht beteiligten, kann man heute die berliner studentenschaft gleichwertig mit dem abschaum der menschheit betrachten. in der rangordnung marschieren neuerdings unsere herren studenten gleich hinter den dreckigen langhaarigen gammlern und den weniger appetitlichen strichjungen vom bahnhof zoo." (an asta fu, 5.6.67) "den tod von benno ohnesorg habt ihr allein verschuldet. er zahlte den tribut fuer eure schlechte kinderstube, in der wohl mancher hieb vorbeiging. schade." (an asta fu, 4.6.67) "was wollt ihr eigentlich? ihr demonstriert andauernd gegen sachen, gegen die man sowieso nichts machen kann. wieviel revolutionen hat es schon gegeben und was haben sie genuetzt! die menschen bleiben wie sie sind und die politik auch. ihr als studenten muesst das doch wissen; ihr seid doch intelligent. ich will von all dem nichts wissen, wenn man erst anfaengt nachzudenken, wird man ja verrueckt." (ermittlungsausschussbericht) an die schwangere witwe des erschossenen benno ohnesorg wurde folgender brief gerichtet: "liebe frau ohnesorg! der tod ihres mannes kann nur noch einen sinn haben, wenn es ihnen gelingt, dem kind, das sie erwarten, klarzumachen, dass sein vater ein fehlentwickler war."

"wer ursache und wirkung verwechselt, macht sich bereits schuldig"

das abgeordnetenhaus in berlin hielt am 8. juni eine sondersitzung ab. man hoerte die worte eines redners von der menschlichen tragik, das rascheln der sich von ihren plaetzen erhebenden abgeordneten, den ausdruck des mitgefuehls und des bedauerns und der anteilnahme fuer die angehoerigen fernab der schuldfrage und den regierenden buergermeister albertz: "der tote student ist hoffentlich das letzte opfer einer entwicklung, die von einer extremistischen minderheit ausgeloest worden ist, die die freiheit missbraucht, um zu ihrem endziel, der aufloesung einer demokratischen grundordnung zu gelangen...", und man hoerte auch die zwischenrufe "sehr richtig! sehr wahr!" und wieder den buergermeister: "ich stelle hier fest, wer ursache und wirkung verwechselt, macht sich bereits schuldig." man machte sich sorgen um den schaden, der dem jungen baeumchen demokratie erwachse durch den "terror" der strasse, durch die "anarchie". man sprach ueber das problem der radikalen studenten, das geloest werden muesse. "dort wo aber unbelehrbare sind, die nur immer glauben, eine gesellschaftliche umschichtung durchfuehren zu muessen, diese unbelehrbaren sollte man fernhalten, sollte man ausgliedern aus dieser gemeinschaft und sie zurueckgeben an die, von denen sie offenbar auftraege haben", aeusserte sich der abgeordnete theis (spd). "wenn der blinddarm schmerzt und wenn die qualen nicht mehr auszuhalten sind, dann bleibt nichts anderes uebrig, als ihn herauszuoperieren, wenn man das eigene leben nicht riskieren will", so der cdu-abgeordnete heinschke. unter dem beifall des gesamten berliner abgeordnetenhauses wurden der sds und andere linke studierendenverbaende mit den nazis gleichgesetzt. den studierenden schallte die sprache der gewalt entgegen.

"bedingungen und organisation des widerstandes"

am 9. juni wurde benno ohnesorg in hannover begraben. 200 autos begleiteten den sarg in einem autokorso durch die ddr auf dem weg in die heimatstadt ohnesorgs. ueber 10.000 menschen, ueberwiegend studierende, versammelten sich auf dem friedhof. nach dem begraebnis begann ein kongress "bedingungen und organisation des widerstandes" mit ueber 7.000 teilnehmern, der binnen einer woche von den asten in berlin und hannover als antwort auf die unversoehnliche haltung des berliner senats organisiert wurde. studentenvertreter, professoren, gewerkschafter informierten und diskutierten ueber die ereignisse von berlin, unter ihnen helmut gollwitzer, hartmut von hentig, wolfgang abendroth, peter brueckner und erich kuby. kuby zeichnete mit seinem gewicht als anerkannter publizist in einer minutioesen chronik dem staunenden publikum die ereignisse des 2. juni nach und zeigte punkt fuer punkt die fehlinformationen, halbwahrheiten, verdrehungen und luegen in den zahllosen versionen der berliner behoerden auf. fast fuenf stunden wird darueber diskutiert, was in den naechsten wochen in berlin und in der brd zu tun sei. auf dem kongress verteilte der sds-bundesvorstand eine erklaerung "niederlage oder erfolg der protestaktion", in der die situation an den hochschulen genauer analysiert wird. folgende thesen stellte der sds auf: "1. die auseinandersetzungen zwischen den studenten einerseits und der universitaets- und stadtbuerokratie west-berlin andererseits sind das ergebnis der verschaerfung der strukturellen krise der universitaet, der verfestigung autoritaerer politischer machtpositionen in der brd und west-berlin und internationaler erschuetterungen... 2. der auf die studenten ausgeuebte polizeiliche und psychologische druck droht allen sozialen und politischen gruppen, die sich nicht widerspruchslos den leistungsanspruechen und politischen zwaengen des kapitalistischen systems fuegen... 3. die proteste der studenten bleiben ohnmaechtig, soweit es ihnen nicht gelingt, sich gesamtgesellschaftlich rueckhalt zu verschaffen und der kapitalistischen oligarchie in oekonomie, oeffentlichkeit und staatsapparat selbst machtpositionen streitig zu machen... 4. der sds fordert die studenten zur solidaritaet mit allen auf, die gegen die wirtschaftlichen, politischen und psychologischen unterdrueckungs- und ausbeutungsformen des kapitalismus protestieren und kaempfen..." diese erklaerung wurde von allen sds-gruppen an den bundesdeutschen hochschulen in einer auflage von ueber 100.000 exemplaren verteilt und auf vollversammlungen, podiumsdiskussionen und teach-ins diskutiert. auch juergen habermas war auf dem kongress anwesend, repraesentant der kritischen theorie, vertreter der vor-dutschke-generation und skeptischer beobachter der jungen provokateure. hans-juergen krahl, vom sds frankfurt, und rudi dutschke benutzten die gelegenheit auch zu einer theoretischen kontroverse und widersprachen heftig der analyse von juergen habermas. er bescheinigte den studierendenaktionen zwar eine "temporaere kontrollfunktion" in einer demokratie ohne wirkliche opposition, jedoch keine langfristige perspektive, da er den studierenden nicht zutraut, das spannungsverhaeltnis zwischen theorie und praxis auszuhalten, und befuerchtete baldige indifferenz, politische regression oder gar irrationalismus. rudi dutschke entgegnete habermas: "die entwicklung der produktivkraefte hat einen prozesspunkt erreicht, wo die abschaffung von hunger, krieg und herrschaft materiell moeglich geworden ist. alles haengt vom bewussten willen der menschen ab, ihre schon immer gemachte geschichte endlich bewusst zu machen, sie zu kontrollieren, sie sich zu unterwerfen, das heisst, professor habermas, ihr begriffsloser objektivismus erschlaegt das zu emanzipierende subjekt!" er verteidigt die methode der provokation, die kein hirnloser, verzweifelter aktionismus sei: "wir hatten in monatelanger diskussion theoretisch herausgearbeitet, dass die buergerliche demokratie, in der wir leben, sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie es dem lord gestattet, mit seinem hund spazierenzugehen und so auch den vietnam-protesten den weg zur verfuegung stellt und die kanalisation des protestes durchfuehrt. aus dieser theoretischen einschaetzung der integrationsmechanismen der bestehenden gesellschaft ist fuer uns klargeworden, dass die etablierten spielregeln dieser unvernuenftigen demokratie nicht unsere spielregeln sind, dass der ausgangspunkt der politisierung der studentenschaft die bewusste durchbrechung dieser etablierten spielregeln durch uns sein musste. " ausserdem schlug rudi dutschke vor, eine demonstration gegen das demonstrationsverbot in berlin anzumelden und, sollte sie nicht genehmigt werden, ueberall in der brd aktionszentren zu bilden, um "kampfmassnahmen" zu beraten, wie nach dem 2. juni in berlin. auf nachfrage erklaert rudi, unter kampfmassnahmen verstehe er "passive protest-sitzstreik-aktionen". kurz danach reiste rudi dutschke ab. juergen habermas sass schon gegen mitternacht im auto, als er befuerchtete, da meint einer mehr als sitzstreik, wenn er von kampfmassnahmen spricht und eilte zurueck in die halle. er habe grund, sagte er ins mikrophon, den von dutschke gepredigten voluntarismus "linken faschismus" zu nennen. buhrufe, beifall und pfiffe mischen sich, habermas ist sich unsicher und formuliert um: "ich haette gerne geklaert, ob dutschke nun willentlich die manifeste gewalt herausfordert nach den kalkulierten mechanismen, die in diese gewalt eingebaut sind, und zwar so, dass er das risiko von menschenverletzung, um mich vorsichtig auszudruecken, absichtlich einschliesst oder nicht." dutschke kann habermas nicht mehr erwidern. das boese wort des linken professors vom linken faschismus ist gefallen und findet sich ab jetzt im repertoire der journalisten, die ueber die studierenden schreiben.

"der senat fuehlt sich ertappt"

angesichts der nichtbeachtung der vom senat angeordneten massnahmen durch die studierenden blieb dem senat nur noch das mittel der androhung weiterer massnahmen. "der senat betrachtet das generelle demonstrationsverbot als nicht mehr ausreichend, um die gespannte lage in der stadt zu bereinigen. das teilte heute frueh ein senatssprecher dem 'abend' mit. es seien bereits konkrete massnahmen im senat eroertert worden, um die situation zu klaeren. dieser katalog wird im moment noch nicht mitgeteilt, selbst der akademische senat der freien universitaet wurde vom regierenden buergermeister albertz in der gestrigen sitzung darueber nicht unterrichtet." (der abend, 5.6.67) dem senat blieb als weitergehende massnahme nur noch die verhaengung des ausnahmezustandes, was aber nicht ohne das eingreifen der alliierten geht. die fiktion, dass berlin, der vorposten der freiheit, eine autonome politische vertretung besitze, haette dann aber nicht mehr aufrechterhalten werden koennen. es blieb nur noch der ungeordnete rueckzug. "innensenator buesch teilte am montag mit, dass der senat kein generelles demonstrationsverbot fuer berlin erlassen habe, sondern nur gegenwaertig angesichts der umstaende keine genehmigung fuer demonstrationen erteilt werde." (frankfurter allgemeine zeitung, 6.6.67) "justizsenator hoppe betonte gestern, in berlin bestehe kein demonstrationsverbot. die formulierung 'verbot' sei von der presse und von senatsmitgliedern gebraucht worden. sie sei 'ungluecklich' gewaehlt. wie hoppe erlaeuterte, wuerden alle antraege auf demonstrationen zur zeit unter beruecksichtigung der besonderen situation nach dem 2. juni fall fuer fall geprueft." (die welt, 13.6.67) "ich habe wiederholt deutlich gemacht und sage das hier noch einmal, dass der senat die demonstrationsfreiheit rueckhaltlos bejaht." (innensenator buesch am 12.6.67) am 13. juni wurde ueberraschend die studentische demonstration "gegen das vorgehen der polizei und der politischen instanzen" vom senat genehmigt. die auflage, fuer je 50 demonstranten einen ordner zu stellen, wurde von den etwa 5000 studenten karikiert, indem je 50 durch armbinden gekennzeichnte ordner einen demonstranten begleiteten, der sich durch ein grosses pappschild als solcher auswies. rechtsanwalt horst mahler, leiter des studentischen ermittlungsausschusses, fasste am 19. juni in der technischen universitaet die konsequenzen aus der haltung des senats zusammen: "ich habe mir noch einmal die rede von herrn albertz angehoert, und er hat gesagt: 'wir werden schnellgerichte einrichten'... und: 'wir haben ein generelles demonstrationsverbot verhaengt'... wenn man einen demokraten mitten in der nacht weckt und ihn fragt, ob er nach seinem gelaeuterten demokratischen empfinden ein absolutes oder generelles demonstrationsverbot fuer rechtens haelt, dann wird er wahrscheinlich im schlaf noch sagen 'natuerlich nicht'. und dass sich hier der senat jetzt darauf hinausreden will, das war ja gar nicht so gemeint, das war ja nur ein irrtum, vielleicht weil die juristen gerade im weekend waren, so ist das eine posse, die wirklich nicht in den tragischen hintergrund dieser ereignisse hineinpasst. es wurde hier mit fast beschwoerender geste um vertrauen geworben. ich moechte auf folgendes hinweisen. wenn man sich vergegenwaertigt, in welcher atmosphaere in dieser stadt und anderswo politik gemacht wird, dann darf man nicht in den fehler verfallen, dass die herren im schoeneberger rathaus ihre entscheidungen in der stimmung getroffen haben, in der sich vielleicht die demonstranten befunden haben, nachdem sie verbleut worden waren. diese herren kalkulieren politische situationen moeglicher spannungsfaelle im voraus und entscheiden nuechtern, abwaegend und waren durchaus in der lage, hier die rechtlichen gesichtspunkte, so wie sie sich zwingend aus dem grundgesetz ergeben, in ihr kalkuel einzubeziehen. wenn man das beruecksichtigt, dann muss man zu der schlussfolgerung kommen, dass die jetzt etwas unsichere und beinahe klaegliche haltung des senats das resultat dessen ist, dass hier die studenten und mit ihnen ein teil der presse, insbesondere in westdeutschland, dem senat auf die finger geschlagen hat. sie fuehlen sich hier, und das zu recht, ertappt. ihre rechnung ist nicht aufgegangen, und ich glaube, diejenigen, die das zu verantworten haben, verdienen kein vertrauen."

"keine anhaltspunkte"

die regierungskrise in berlin spitzte sich immer mehr zu. mitte september trat der fuer den polizeieinsatz am 2. juni verantwortliche innensenator wolfgang buesch zurueck, eine woche spaeter wurde polizeipraesident duensing fruehzeitig in pension geschickt, und vier weitere tage spaeter, am 26. september 1967, trat der regierende buergermeister heinrich albertz nach nur 287 tagen amtszeit zurueck. am 21. november 1967 verliess kriminalobermeister karl-heinz kurras den gerichtssaal als freier mann. die 14. grosse strafkammer beim landgericht moabit sprach den todesschuetzen des studenten benno ohnesorg von der anklage der fahrlaessigen toetung frei. das gericht erklaerte, es gebe "keine anhaltspunkte fuer eine vorsaetzliche toetung oder eine beabsichtigte koerperverletzung durch einen gezielten schuss". der student fritz teufel, der eines steinwurfs vor der oper verdaechtigt wurde, sass weiterhin in untersuchungshaft. am 27. november sollte der prozess gegen ihn eroeffnet werden. am 23. november fand im grosse hoerssal der tu berlin eine anti-springer-veranstaltung statt, bei der rudi dutschke zur demonstrationsteilnahme gegen den "terror-prozess" aufrief, um eine verurteilung von fritz teufel zu verhindern. die polizei hatte das kriminalgericht weitraeumig abgesperrt und erwartete die 600 demonstranten, an der spitze rudi dutschke, mit 750 beamten, 6 wasserwerfern, spanischen reitern und lautsprecherwagen. dennoch gelang es den demonstranten kurzzeitig, die polizeikette zu durchbrechen. die studenten, die mit sprechchoeren wie "teufel raus, kurras rein" die sperrgitter wegzuraeumen begannen, hatten aber nicht die geringste chance, das gerichtsgebaeude zu stuermen, als die wasserwerfer einsetzten und schlagstockschwingende polizisten den demonstranten zu pferde nachsetzten. im januar 1968 wurden von 92 verfahren gegen polizeibeamte wegen ihres verhaltens beim einsatz vor der deutschen oper 82 eingestellt. "eher geht ein rindvieh durchs schluesselloch, als dass deutsche beamte an der glaubwuerdigkeit deutscher beamten zweifelten." (schlusswort von fritz teufel in der hauptverhandlung, vgl. sueddeutsche zeitung, 16.12.67)

die asten kippen nach links

in den folgenden monaten kippten fast alle asten der brd nach links und entwickelten sich von staendisch orientierten interessenvertretungen hin zu politischen strukturen, die auf radikale gesellschaftliche veraenderungen zielten. tausende studierende beteiligten sich an "kritischen universitaeten", an antiimperialistischen aktionen und an protesten gegen die notstandsgesetze, gegen den krieg in vietnam und am boykott gegen die springer-presse. aus einer zunaechst emotionalen protesthaltung formierte sich eine soziale bewegung, die es wenigestens ueber eine kurze zeit lang verstand, die "versteinerten verhaeltnisse" des kalten krieges und der organisierten klassenkaempfe der deutschen nachkriegsgesellschaft ein wenig zu veraendern.

 

* * *

literatur zum 2. juni

    [etwas bewegung kann nich schaden ...]

  • kursbuch 12, der nicht erklaerte notstand. dokumentation und analyse eines berliner sommers. hrsg. hans magnus enzensberger, suhrkamp verlag, frankfurt a.m. 1968

     

  • asta fu berlin, dokumente des 2. juni 1967 und der zeit danach, berlin 1967

     

  • wolfgang lefevre, ursachen und konsequenzen des 2. juni, in: neue kritik, nr. 42/43, august 1967, s. 8

     

  • bericht des parlamentarischen untersuchungsausschusses. drucksache des abgeordnetenhauses von berlin. v. wahlperiode, nr. 161, 1. beschlussempfehlung des 1. untersuchungsausschusses - v. wahlperiode - vom 18.9.67 zum antrag der fraktion der fdp ueber einsetzung eines untersuchungsausschusses - drucksache 73

     

  • uwe bergmann/rudi dutschke/wolfgang lefevre/bernd rabehl, rebellion der studenten oder die neue opposition, rowohlt verlag, reinbek 1968

     

  • ulrich chaussy, die drei leben des rudi dutschke. eine biographie. ch. links verlag, september 1993

     

  • juergen miermeister, rudi dutschke. rowohlt bildmonographien, februar 1986

     

  • tilman fichter/siegward loennendonker, kleine geschichte des sds. der sozialistische deutsche studentenbund von 1946 bis zur selbstaufloesung. rotbuch verlag berlin, 1977

     

  • michael ruetz, sichtbare zeit, photographien 1965-1995, zweitausendeins

     

  • stefan aust, der baader-meinhof-komplex, hoffman und campe, hamburg 1985

     

  • michael 'bommi' baumann, wie alles anfing. muenchen 1975

     

  • juergen habermas, protestbewegung und hochschulreform, frankfurt a.m. 1969

     

  • kai hermann, die revolte der studenten, hamburg 1967

     

  • juergen miermeister/jochen staadt (hrsg.): provokationen. die studenten- und jugendrevolte in ihren flugblaettern 1965-1971. darmstadt/neuwied 1980

 

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